Das Angelo Love Hotel in Osaka ist eines von 37.000 seiner Art in Japan. Doch noch nie kam eine Kamera ins Innerste eines solch’ mystischen Ortes. Den Regisseuren Phil Cox und Hikaru Toda wurde der Zutritt gewährt, und mit erstaunlicher Offenheit geben ihnen nicht nur die Kunden Einblicke in ihr Liebesleben, sondern auch die Angestellten, die das System 24 Stunden durchgängig am Laufen halten. Es ist ein sehr ausgeklügeltes System, bestehend aus Rohrpostleitungen, diskreten Fenstern für Lieferungen aller Art, Überwachungsbildschirmen und anonymen Automaten, die Zimmerauswahl und Bezahlung regeln – alles dafür gemacht, den Menschen einen Raum zu bieten, in dem sie umsorgt, geschützt und doch ganz für sich sind. „Ein Ort ohne Regeln“, wie ein Protagonist sagt. Und einer, an dem sich ganz Japan zu treffen scheint: alt, jung, arm, wohlhabend und mit jedweder sexueller Neigung.
Wichtig auch – die Themen der Zimmer. Ein Rentnerpärchen wählt „Disko“ und ißt im flackernden Licht der Tanzfläche Sushi. Ein 41jähriger Geschäftsmann trifft hier regelmäßig eine Domina. Und das Ehepaar Sakamoto frischt sein Begehren mit Pornofilmen auf, während zwei junge Anwälte von der Möglichkeit eigener Kinder sprechen. Das aber verwerfen, weil es die Gesellschaft nicht akzeptieren würde. Überhaupt wird viel von der restriktiven Struktur Japans gesprochen. Einem Alltag, in dem viel zu viel gearbeitet wird und jeder in sich gefangen, einsam ist. Von klein auf werde einem beigebracht, daß es unangemessen sei, seine Gedanken und Wünsche auszudrücken, erzählt Rika, die Domina. Deshalb seien die Japaner so unbeholfen in der Liebe.
Die konservative Regierung arbeitet nun daran, auch die letzten Zufluchtsorte zu reglementieren. Love Hotels dürfen keine Themenzimmer mehr haben, keine Deckenspiegel, Tanzen ist nach 24 Uhr verboten. Mit diesen Gesetzen wird ein Wirtschaftsfaktor massiv bedroht, täglich gehen zwei Millionen Japaner in ein solches Love Hotel! Aber die eigentliche Frage ist: Warum will man seiner Bevölkerung den letzten Rest Geheimnis nehmen, die letzten Orte, an denen man „loslassen“ kann? Die Menschen, die Cox und Toda den Zutritt zu ihren privatesten Momenten gewähren, stehen also auch mutig dafür ein, daß sie sich nicht in ein Korsett pressen lassen, daß Begierden und Träume immer überleben werden. Genauso wie die Love Hotels, die den Sein-Zustand Japans so perfekt spiegeln.
Originaltitel: LOVE HOTEL
GB/F 2014, 75 min
Verleih: déjà-vu
Genre: Dokumentation
Regie: Phil Cox, Hikaru Toda
Kinostart: 11.06.15
[ Susanne Schulz ]