Originaltitel: LOVE LIES BLEEDING
GB/USA 2023, 104 min
FSK 16
Verleih: Plaion
Genre: Thriller, Horror, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Kristen Stewart, Katy O’Brian, Ed Harris
Regie: Rose Glass
Kinostart: 18.07.24
Nur Loser geben auf! Und Schmerz ist nichts als Schwäche, die den Körper verläßt. So klingen sie, die markigen Sinnsprüche maskuliner Selbstoptimierung – und man bekommt so einige davon zu lesen am Beginn von LOVE LIES BLEEDING, wenn die Kamera durch diese Macker-Mucki-Bude gleitet, hinweg von und ganz nah ran an schweißglänzende Testosteron-Bolzen mit zuckenden Bizepsen und verzerrten Gesichtern. Und immer wieder hin zu diesen vergilbten Plakaten einschlägiger Motivationspoesie, die hier allenthalben an den Wänden prangt.
Was für ein phantastisch fieser Anfang! Körperfetischismus und Phrasenposter zu sphärisch pulsendem Synthie-Pop. Und dann dieser Schnitt auf Lou, die in diesem räudigen Fitneßstudio arbeitet und gerade dabei ist, eine hoffnungslos verstopfte Toilette wieder halbwegs in Gang zu bringen. Disgusting! Aber: Nur Loser geben auf.
Man hat es schon bei ihrem Erstling, dem Horrorstück SAINT MAUD, geahnt: Mit der jungen englischen Regisseurin Rose Glass kommt was aufs Kino zu, was das Kino unbedingt mal wieder nötig hat. Eine Frischblutzufuhr wilder Fabulierlust nämlich. Ein genreaffines Erzählen ohne Leisetreterei, ungehobelt, wuchtig, versponnen und doch mit Stilbewußtsein. Und nicht zuletzt: mit einer soliden Portion Wut im Bauch.
Was Glass mit SAINT MAUD versprochen hat oder eben ahnen ließ, erfüllt sich jetzt aufs Beste mit ihrem zweiten Langfilm LOVE LIES BLEEDING. Der führt ins Jahr 1989, in eine Kleinstadt in New Mexico. Hier fristet Lou ihr tristes Dasein. Einziger Freund ist ihre Katze, ansonsten gibt es Einsamkeit, Fast Food und als Zerstreuung routiniertes Masturbieren auf der Couch im Mini-Apartment. Doch dann erscheint – und eine Erscheinung ist die tatsächlich – Jackie im Fitneßstudio. Jackie ist eigentlich nur auf der Durchreise nach Las Vegas zu einem Bodybuilding Contest. Doch wie es die Vorsehung will: Es ist Liebe auf den ersten Blick, was da zwischen Lou und Jackie aufflammt. Nur, daß die Vorsehung mal wieder anderes im Sinn hat, als eine Romanze. Da ist allein schon Lous Vater vor. Schlicht Lou Sr. genannt, ist der Kerl Inhaber des örtlichen Waffen- und Schießsport-Clubs. Und außerdem ein Typ, dem man lieber nicht allein im Dunkeln begegnen will.
Was jetzt auch, aber ganz gewiß nicht nur das Erscheinungsbild dieses Mannes meint. Um noch kurz bei diesem zu verweilen oder genauer bei Ed Harris, der den Lou Sr. mit einer derart eiskalt psychotischen Inbrunst gibt, daß darob zum faszinierten Schauder für einen Anfangsmoment auch die Sorge kommt, der Charaktermime könnte mit seinem XXL-Charisma den Film zu sehr an sich reißen. Tut er aber nicht! Denn vor dem wahrlich düsteren Schatten, den seine Figur abgibt, erscheinen die hinreißend kraftvoll kantig aufspielenden Katy O’Brien und Kristen Stewart nur umso klarer konturiert. Starke Heldinnen brauchen eben einen starken Widerpart. Daß Stärke hier im einen wie im anderen Fall, also im Guten wie im Bösen, Ambivalenz, Abgründigkeit und Gewalt mit einschließt, muß man aber unbedingt hinzufügen. Ist LOVE LIES BLEEDING doch ein Film, der sich seinerseits gezielt düstere Schatten sucht, um sich in und vor diesen dann nur um so klarer konturieren zu können.
Es sind jene Schatten, die die Werke eines Lynch, Cronenberg oder Winding Refn werfen. Selbst eine B-Film-Absurdität wie ANGRIFF DER 20-METER-FRAU findet in LOVE LIES BLEEDING einen kurzen, bizarren Widerhall. Traditionslinien, denen Glass Referenz erweist, ohne dabei aber in Eklektizismus à la Tarantino zu verfallen. Dafür ist ihr Film schlicht zu eigenwillig. Oder richtiger: zu emanzipiert.
Denn wie Glass Elemente des Film noir und des Bodyhorror mit einer lesbischen Amour fou verschmilzt und dabei patriarchalische Typologien umkrempelt (respektive wegballert, zu Klump schlägt, abfackelt; wie gesagt: Wut im Bauch) ist die virtuose feministische Aneignung eines Genres, das bisher allzu fest in Männerhand war. Dabei zuzuschauen bereitet – bis hin zum echt fiesen Finale – ein phantastisch fieses Vergnügen.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.
Kinobar Prager Frühling: OmU 19:45
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