Originaltitel: NELYUBOV

Rußland/F/Belgien/D 2017, 127 min
FSK 16
Verleih: Alpenrepublik

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Marjana Spiwak, Alexej Rozin, Matwej Nowkov, Marina Wasiljewa

Regie: Andrej Swjaginzew

Kinostart: 29.03.18

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Loveless

Die Aussichten: Kältewelle aus Rußland

Sie tragen keine Liebe in sich, jedenfalls keine mehr zum Menschen, der einst das Ja zur Ehe bekam. Die Trennung von Schenja und Boris ist beschlossene Sache, es geht um ausstehende Formalitäten. Die Wohnung muß verkauft, der Haß in Schach gehalten werden. Ach, und da wäre ja auch noch der gemeinsame Sohn. Aljoscha ist für seine Eltern wie eines dieser ungeliebten Möbelstücke, die man einst erworben und im Zimmer hin- und hergeschoben hat, um dann doch zu merken, daß es gar nicht paßt.

LOVELESS von Andrej Swjaginzew, dessen Dramen DIE RÜCKKEHR und LEVIATHAN noch immer wie Leuchttürme eines seltenen osteuropäischen Kinos thronen, erzählt erneut eine privat anmutende, schnell jedoch mit Metaphern aufgeladene Geschichte. Wo das eingangs geschilderte Sujet eher nach oft gesehen klingt, ist LOVELESS am Ende vieles, genau das aber nicht. Er ist zu gleichen Teilen spannender Thriller und präzise Sozialstudie, ist hier streng russisch und dort im Schmerz der Ausweglosigkeit universell. Wieder ein Streit! Die Fetzen fliegen zwischen Mama und Papa, und wieder geht es um Aljoscha und darum, wer ihn nach der Scheidung „mitnimmt.“ Keiner will es wirklich. Als sich an diesem Abend die Tür zum Wohnzimmer, also zum Schlachtfeld der Ehe-Front, schließt, steht der 12jährige im Dunkel dahinter und schluchzt tonlose, bitterste Tränen. Diese frühe Szene brennt sich ein und schwelt die gesamte Handlung über. Denn Aljoscha wird bald ein letztes Mal die Treppe herunterrennen und nicht mehr auftauchen.

Er hätte sofort unser Mitleid. Da er fehlt, bleibt das unterbewußte Sehen scharf. Im bewußten Sehen schichtet LOVELESS die Sympathien nicht erst um. Keine und keiner ist hier liebenswert. Bis hin zu den Nebenfiguren flutet Kälte aus den Szenen. Nur als es darum geht, den Sohn zu finden, der immer der Sohn bleiben wird, ist das mit dem vorverurteilenden „Taxieren“ der Eltern plötzlich diffus. Und im Fernsehen laufen die Bilder des Ukrainekonflikts. Wir haben verstanden!

Wie Swjaginzew seine dramatischen Elemente dosiert, wie er mit dem Vagen spielt, Boris in den Zwängen der „russisch-orthodoxen Scharia“ auf Arbeit zeigt, wie er ihn und Schenja zunächst ihrer eigenen Entscheidung überläßt, schon mit einem neuen Partner, einer neuen Partnerin zu leben, wo der Alltag doch nach anderen Aufgaben schreit, auch das ist exzellent komponiert.

[ Andreas Körner ]