1 Bewertung

Lunchbox (2013)

Das Leben, ein Ventilator

Eine von sechs Millionen, das muß man sich einmal vorstellen! Nur eine einzige Lunchbox geht im System der Dabbawallas verloren oder wird fehlgeleitet, sagt die von Harvard ausgewiesene Statistik. Über 5000 dieser Boten gibt es im quirligen Mumbai. An sechs Tagen in der Woche bringen sie 130 000 Behälter mit Essen, das noch immer zumeist von Müttern und Ehefrauen für ihre Söhne und Männer frisch zubereitet wird, von A nach B und leer wieder zurück. Selbst wer eine ferne Ahnung von Mumbai hat, weiß, wie weit A und B dort auseinanderliegen können. Es braucht also Raffinesse für diese Staffelfahrten. Und manchmal, so eine Weisheit aus dem Film, fährt der falsche Zug zum richtigen Bahnhof. Erst recht im Leben.

Auch die schöne Ila kocht für ihren Mann, füllt die fünfstöckige Lunchbox und übergibt sie dem zuständigen Dabbawalla. Seit kurzem aber plant sie, mit einem immer wieder besonders guten Mahl für den Gemahl das eheliche Feuer neu zu entfachen. Schwer süß-sauer reagiert Ila, als Rajeev abends nicht nur nicht angesprungen ist, sondern von den neuen Gewürzen und leidenschaftlichen Rezepturen nicht mal etwas gemerkt haben will. Kein Wunder, er hat Ilas Feinkost gar nicht bekommen, sondern Saajan. Der Witwer und Versicherungsangestellte wundert sich sehr, bezieht er seine Box doch stets aus einem Imbiß. Die Hoffnung, daß dieser plötzlich zum Gourmettempel aufgestiegen ist, zerbricht auf schöne Weise: Sajaan findet eines Tages einen Zettel von Ila unter Reis, Chicken Tita und Chutney. Es ist der zauberhafte Beginn einer zauberhaften Verbindung. Die stille Post im Behälter wird laut und lauter, die Texte lang und länger, zwei Menschen, die jeder auf eigene Weise einsam sind, kommen sich nah und näher.

Schöne Frauen, volle Züge, Lärm und Farben, singende Männer, dampfende Töpfe, das (im Original) abenteuerliche Sprachgemisch, gesellschaftliche Riten – in Ritesh Batras LUNCHBOX ist alles drin, was Indien ausmacht, vor allem beiläufig. Es ist aber auch alles drin, was Kino ausmacht. Und zwar nicht als Bollywood-Klischee und gleich gar nicht als Persiflage davon, sondern als fließende Poesie zweier Leben im Jetzt und Vielleicht.

Das Beste aber ist der zart marmorierte Humor, der den alle Sinne streichelnden Film zum erdwurzelnden Märchen macht. Was es mit „Das Leben, ein Ventilator“ auf sich hat? Unbedingt selbst herausfinden!

Originaltitel: DABBA

D/Indien/F 2013, 105 min
FSK 0
Verleih: NFP

Genre: Poesie, Drama, Liebe

Darsteller: Irrfan Khan, Nimrat Kaur, Nawazuddin Siddiqui

Regie: Ritesh Batra

Kinostart: 21.11.13

[ Andreas Körner ]