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Lushins Verteidigung

Liebe oder Schach? Leidenschaft oder Besessenheit?

Norditalien 1929, ein idyllisches Hotel mit Seeblick wird Schauplatz der Schachweltmeisterschaft. Ein großes Ereignis für die Eingeweihten, eine skurrile Attraktion für die Sommergäste. Unter ihnen weilt auch Natalia, die schöne Tochter russischer Auswanderer mit Mutter Vera. Weniger die Erholung liegt Frau Mama am Herzen. Natalia soll endlich unter die Haube, möglichst schnell, und reich soll er auch noch sein. Doch Natalia hat ihr Auge schon auf jemanden geworfen, der das Turnier seines Lebens spielen wird. Gegen die Geister der Vergangenheit, gegen die Schatten einer ungewissen Zukunft. Es ist der genial-verwirrte amtierende Schachmeister Alexander Lushin.

Um gleich ein Mißverständnis auszuräumen: LUSHINS VERTEIDIGUNG ist mitnichten ein Film über Schach. Sicher ist das Spiel der Könige präsent und bestimmt den Verlauf des vielschichtigen Dramas. Doch die literarische Vorlage stammt von "Lolita"-Autor Vladimir Nabokov, bekannt für eigensinnige und düstere Spiegelungen seelischer Abgründe. Doppelbödigkeit ist also vorprogrammiert.

Regisseurin Marleen Gorris, die uns schon den großartigen ANTONIAS WELT schenkte, gelingt die Gratwanderung, die Begeisterung für das Brettspiel zu inszenieren, sich jedoch nicht darin zu verlieren. Ihr filmisches Auge ruht vor allem auf den Figuren, die mehr als eine Überraschung bergen.

John Turturro ist ein grandioser, entweltlichter Lushin, den erst die Liebe in das Leben zurückholen wird. Genie, Liebe - Erinnerungen an BEAUTIFUL MIND drängen sich auf. Doch wo der fensterglasbebrillte Algebra-Magier zum Reißbrettgenius wurde, überzeugt hier der rege Geist des Schachgiganten. "Es wird einen großen Sieg geben!" murmelt er prophetisch und wird recht behalten, auf eine perfide Art. Im Hintergrund webt jemand schon den Schicksalsfaden, und Natalia wird auf ungeahnte Weise ein Teil von Lushins Verteidigung.

Die Rolle der Muse und kraftvollen Geliebten scheint der unglaublichen Emily Watson auf den Leib komponiert. Mit BREAKING THE WAVES hatte sie ihren furiosen Einstand auf der Leinwand, zaubert sich seither durch außergewöhnliche Projekte und ist auch hier wieder das Licht des Films. Wundervoll.

[ Roman Klink ]