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Lust auf anderes

Ironischer Blick auf die kleinen Unterschiede

Nichts ist lustiger, als andere in Fettnäpfe tappen zu sehen. Und das Leben ist voll davon - besonders, wenn man sich auf fremdem Gelände bewegt. Diese Erfahrung muß auch der Fabrikant Castella machen. Seine schnauzbärtige Bodenständigkeit hat ihm geschäftlich durchaus Anerkennung verschafft, doch die feineren Gefilde von Kunst und Kultur sind ihm so fremd, wie Nilpferden Schnee. Da schleppt ihn seine ewig nörgelnde Gattin nun in eine Theateraufführung von "Berenice", und Castella freut sich auf einen Abend voller gähnender Langeweile. Doch mit dem Auftritt der Hauptdarstellerin Clara ändert sich alles. Schnell ist die Angetraute vergessen - das Fremde und Neue lockt. Schade nur, daß die Angebetete ihn für einen simpel gestrickten Banausen hält, und wenn er sich noch so redlich müht.

Feinsinniger Humor lebt von genauer Be-obachtung. Und die beherrscht Regisseurin Jaoui offenbar vorzüglich. Was sie in ihrem Film entdeckt, ist eine Art moderne Ständegesellschaft, über die man herzlich lachen kann - mal aus vollem Halse und mal etwas betreten. Alles nimmt sie auf’s Korn: die zufriedene Selbstverliebtheit eines durchschnittlichen Geschäftsmannes, die subtile Hochnäsigkeit elitärer Kulturschaffender, den Frust unausgeglichener Ehefrauen, den sie mit innenarchitektonischer Dekorationswut am heimischen Wohnzimmer ausleben, die Verlogenheit sogenannter offener Beziehungen. Jaoui teilt ordentlich aus, wird aber nie bösartig oder schwerfällig belehrend. Ihr ironischer Blick auf die kleinen Unterschiede bleibt liebevoll und kommt auch ohne störende stilistische Spielereien aus. Stringent erzählt sie, was zu erzählen ist. Für hinreißende Schnörkel sorgt die Geschichte schon selbst - und natürlich die durchweg großartigen Schauspieler.

[ Sylvia Görke ]