Originaltitel: LE GRAND PARTAGE
F 2015, 102 min
FSK 0
Verleih: Universum
Genre: Komödie, Satire
Darsteller: Karin Viard, Valérie Bonneton, Patrick Chesnais
Regie: Alexandra Leclère
Kinostart: 09.02.17
Das muß man dem Film zugute halten, auch wenn es leider nicht allzu viel zugute zu halten gibt: Er teilt aus. In alle Richtungen. Die verlogenen Linken kriegen ihr Fett ab, die Wasser predigen, heimlich Wein saufen, die Erzkonservativen, deren Spießigkeit als pure Angst enttarnt wird, und die ewigen Gutmenschen sowieso, die erst vom Rumänen beklaut werden müssen, um zu erkennen, daß der erstens Moldawier war, und zweitens die Menschen nun mal gar nicht so selten einfach schlecht sind.
Damit sind wir nicht zwangsläufig bei Madame Christine, der Titelfigur, wobei ergänzt werden muß, daß der Film tatsächlich nur so heißt, wie er heißt, weil es eben schon einige erfolgreiche Filme mit diversen Monsieurs und Madames im Titel gab. Sie steht dennoch im Zentrum des Films, diese Christine, aber nicht allein, wobei sie eben diejenige ist, der man zumindest ein Stück nahekommt. Was vor allem an der unschlagbaren Komödiantin, die Karin Viard auch immer wieder ist, liegt. Doch zur Geschichte: Es ist kalt in Paris, immer mehr Menschen leben ohne Dach überm Kopf auf den Straßen der Metropole, die Politik ist gefragt, und die antwortet in solch’ prekären Lagen, wie sie in ihrer reflexartigen Lebensahnungslosigkeit immer antwortet: aktionistisch. Wer über mehr als von den Behörden als genehm empfundenen Wohnraum verfügt, wird per Dekret gezwungen, Bedürftige aufzunehmen. Natürlich wird protestiert, eher leise als krawallig, bisweilen wird Beamten Vitamin B verabreicht, manchmal wird in plötzlicher Nächstenliebe die längst im Altenheim geparkte Großmutter abgeholt und in die Dienstbotenkammer gepfercht, um zu zeigen: Man würde ja gern, ist aber leider übervoll. Christine laboriert mehr an den Veränderungen ihres Gatten als an denen der Zeit. Pierre ist rund geworden, ein reaktionärer Schimpfer, einer, der Geringverdienern empfiehlt, mehr zu arbeiten, der sich bedienen läßt und die Erotik seiner attraktiven Frau nicht mehr erkennt. Und da Veränderungen ab und an Gutes inne ist, sieht Christine ihre Chance gekommen, den verlogenen Linken im sechsten Stock und ihrem Gatten gleich mit eins auszuwischen. Sie meldet den Behörden spontane Solidarität ...
Es geht um Tumult in kleiner Zelle, ein Pariser Wohnhaus mitsamt politisch fragwürdiger Concierge, und zu Anfang schimmert eine gewisse Ähnlichkeit zum deutschen Film WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS durch. Der knickte nach der guten Hälfte ein, verlief sich in zu vielen Nebensträngen, es ging ihm dann ein wenig der Witz aus. Bei MADAME CHRISTINE ... geschieht all dies schon nach kürzerer Zeit. Was schade ist, denn auch gesellschaftspolitisches Lachkino gibt es nicht zu häufig, außerdem glänzt neben Viard Valérie Bonneton durch komödiantisches Talent, und gerade zwischen den beiden gibt es herrlich komische Momente. Einer eskaliert, wenn die immer etwas spröde Viard meint: „Man darf mich nicht provozieren!“
Doch das genügt nicht, Regisseurin Aexandra Leclère läßt manche Figur zu schnell kippen, überzeichnet ein durchaus vorhandenes Nutznießertum schlicht zu grob, und mindestens seltsam kann man es finden, daß bei ihr gerade ein jüdisches Paar eigenartig schlecht davonkommt. Immerhin verfügt der Film über einige Phantasie, wenn es um das Herauswinden aus Verantwortung und die Verteidigung unserer Bioladengemütlichkeit geht, und sinnstiftende Phantasie ist ja nun das letzte, was sich unserer Politik attestieren ließe.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.