Originaltitel: ELLE S’EN VA
F 2013, 116 min
FSK 6
Verleih: Wild Bunch
Genre: Tragikomödie, Roadmovie, Poesie
Darsteller: Catherine Deneuve, Mylène Demongeot, Paul Hamy, Hafsia Herzi
Regie: Emmanuelle Bercot
Kinostart: 13.02.14
Gleich zu Beginn, die Kamera nähert sich, das wehende Haar, dann dieses Profil – ein echter BELLE DE JOUR-Moment, der sich gut anfühlt und sagt: Das ist Catherine Deneuves Film! Das wird er auch bleiben, einer ihrer schönsten der letzten Jahre ohnehin. Dabei ist die Geschichte ein ziemlich alter Hut, sie erzählt vom Zigarettenholen. Doch hier ist manches anders, es ist eine Frau, die sich nur kurz verabschiedet und ...
Betty ist müde, das Restaurant lief auch schon besser, und ihr Liebhaber interessiert sich nun für 25jährige Tussis. Wie es um Betty steht, wird in einem stillen Bild klar: Abends, wenn der letzte Gast das Haus verlassen hat, legt sie die Füße hoch, einen Cognac-Schwenker in der Hand, die Hummer dümpeln dazu träge im Aquarium. Betty wird gereizter, sie blafft erst die Mutter an, dann die Köche, schließlich – im Mittagsbetrieb – setzt sie sich ans Steuer des auch in die Jahre gekommenen Benz’ und fährt los. Dazu singt Rufus Wainwright in „This Love Affair“ die trefflichen Zeilen „I Don’t Know What I Am Doing ...“ Hauptsache, erst einmal weg und rauchen. Wenn sie nur Zigaretten hätte ...
Und jetzt geht er los, der so wunderbar unaufgeregt gehaltene Befreiungstrip einer Frau, die schon länger spürt: Das kann’s doch nicht gewesen sein. Auf der verzweifelten Suche nach einem Laden, in dem es Zigaretten gibt (irgendwie eine schöne Reminiszenz an Niko in OH BOY, der gleichsam glücklos schlicht einen Kaffee wollte), fährt sie zur Musikkneipe „Le Ranch.“ Kaum drinnen in diesem Provinzzirkus aus Bierschaum, Karaoke-Bühne und Dartscheibe, da schauen die Männer auf sie.
Wenn man so will, ist Emmanuelle Bercots Film im Duktus eines Episodenwerks gehalten, denn es sind Stationen, mehr oder minder streng verknüpft, die Bettys Reise charakterisieren: Vom Laken eines wesentlich jüngeren Aufreißers, der ihr im Anflug seines rotzfrechen Charmes attestiert, daß sie früher mal eine Bombe gewesen sein muß, an die Seite ihres Enkels (herausragend gespielt von Nemo Schiffman), den sie kaum kennt, zu dessen Mutter sie ein schwieriges Verhältnis hat. Was auch nicht verwundert: Betty ist eigen, und vielleicht hat sie einmal zu viel in Anwesenheit ihrer Tochter aus schmunzelndem Mund davon erzählt, wie ihr Gatte an einem Hühnerschenkel erstickte. Doch genau das ist Betty: keineswegs tadelsfrei, ein wenig egoistisch, manchmal naiv, öfter auch mißtrauisch, aber tief drinnen ... Und das kommt ans Licht, als sie ins Leben zurückkehrt: Sie taugt eben doch zur sorgenvollen Großmutter, ohne gleich tuttelig zu werden, sie hegt eben doch starke Gefühle für ihre Tochter, und daß auch andere Mütter hübsche Söhne haben, bleibt ihr, der ehemaligen Miss Bretagne, ebensowenig verborgen.
MADAME EMPFIEHLT SICH ist ein warmherziger und lebenskluger Film, der seine Figuren mit allen Makeln liebt, über sie lächeln und mit ihnen leiden läßt. Dazu taugen wunderbare Begegnungen auf Bettys Reise: Mit welch’ mädchenhafter Ungeduld Catherine Deneuve sie auf die Hände des steinalten Bauern schauen läßt, der ihr eine Zigarette dreht, wie sie Casimir, Sicherheitsposten eines Möbelhauses, vertraut, und wie sie sich schließlich an die Liebe wagt – hinreißend! Deneuve meistert den Wechsel aus Zorn, verletztem Stolz und augenzwinkernder Nonchalance. Als der Fotograf ihr zuruft: „Kopf zurück, wegen des Doppelkinns!“, da muß man La Deneuve ganz genau ins Gesicht schauen und könnte feiern!
Als bei einem späteren Barbecue schließlich alte Wunden aufbrechen, Vorwürfe sich ausbreiten, Tränen fließen, regelrechtes Chaos herrscht, dann ist der Zuschauer sich zum Glück ziemlich sicher: Das wird schon wieder!
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.