Wer sich heute als Teenager durch die Pubertät kämpft und nebenbei vielleicht einiges zum Leben in der DDR erfahren will, hat nicht gerade viele Möglichkeiten. Er kann harte Fakten aus Geschichtsbüchern ziehen, den (nostalgisch verklärten?) Erinnerungen Verwandter lauschen oder sich im Kino von NVA & Co. bespaßen lassen, inklusive aller Klischees. Quasi als Gegenentwurf zur letztgenannten Entwicklung tritt nun aber diese kleine Dokumentation an – und gewinnt.
Hätten Sie nämlich gewußt, daß es im DDR-Fernsehen von 1974-78 den "Jugendfilmklub" gab? Einmal im Monat wurde ein Film gezeigt, im Anschluß diskutierten Jugendliche über das Gesehene. Wir dürfen nun mittels Ausschnitten daran teilnehmen, unter anderem zuschauen, welche grundsätzliche ideologische Prägung das Ganze hatte, aber eben auch erleben, wie kritisch die Heranwachsenden mit sich und ihrem Umfeld ins Gericht gingen. Ebenso wird manchen die Themenvielfalt überraschen – wer "dem Osten" bloß Morgenappell oder Pioniergruß zugesteht, erlebt sein blaues Wunder.
Parallel dazu ist dies jedoch eine intime Reise in menschliche Befindlichkeiten, initiiert vom ehemaligen Jugendfilmklub-Teilnehmer Olaf Kaiser. Nach knapp 30 Jahren begibt er sich auf die Suche, möchte seine Ex-Mitstreiter wiedersehen. Was wurde aus den damaligen Wünschen, Zielen, Träumen? Er hakt nach, gräbt Persönliches aus: Stefan kann der DDR so gar nichts mehr abgewinnen und findet alles damit Verbundene schlecht, wohingegen Lebenskünstler Marian seine frühere Langhaarmatte zwar gegen eine Glatze getauscht hat, aber seinen Idealen treu blieb und ruhelos um den Globus jettet. Oder stecken doch ganz andere Motive hinter seiner Weltenbummelei? Schauspieler Dirk starb schon früh an AIDS, lebt aber in den Worten der Kolleginnen Corinna Harfouch und Renate Krößner fort. Obwohl Kaiser selbst dabei keinen direkten Standpunkt bezieht, macht er zwischen den Zeilen immer wieder klar, sich als Ostdeutscher zu fühlen. Was den Grundstein für die Authentizität seines Berichtes legt.
Mithin bietet MADE IN GDR das, was dem Unterhaltungswert aller Sonnenalleen dieser Welt abgeht; namentlich Raum zum Weiterdenken.
D 2006, 90 min
Verleih: defa-spektrum
Genre: Dokumentation, Schicksal, Polit
Darsteller: Corinna Harfouch, Renate Krößner
Stab:
Regie: Olaf Kaiser
Drehbuch: Olaf Kaiser
Kinostart: 15.02.07
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...