Eine Berghütte in den Anden. Es dampft, raschelt und plätschert, doch was hier mit Emsigkeit gekocht wird, ist kein Süppchen, sondern Rattengift. Im Kampf gegen die Nager ist Madeinusa erprobt. Sie lebt in einem Andendorf und genießt als ältere Tochter des Bürgermeisters ein hohes Ansehen. Auf sie fiel auch die Wahl, die Jungfrau Maria in der Prozession zur "Heiligen Woche" darzustellen, einem Fest, das alles andere als gottesfürchtig ist. Vielmehr glauben die Bewohner, daß der Herr für kurze Zeit die Augen vor allen Sünden verschließt - ein Freifahrtschein für Völlerei und Unzucht. Ein schlechter Zeitpunkt, den sich der junge Fotograph Salvador für seinen Besuch in der Gemeinde ausgewählt hat. Fremdlinge sind dort nicht gern gesehen, aber Madeinusa kommt der schmucke Fremde sehr gelegen. Sie hat schon lange genug von dem Dorf und seinen abstrusen Regeln, vom Neid ihrer jüngeren Schwester Chale, von den unsittlichen Annäherungen ihres Vaters. Sie sehnt sich nach Lima, der großen Stadt, in der auch ihre Mutter vor Jahren Zuflucht suchte.
Für ihr Filmdebüt wurde die Peruanerin Claudia Llosa bereits mit internationalen Preisen bedacht - auf den Filmfest Rotterdam und beim Internationalen FrauenFilmFestival in Köln. Zweifelsohne ist ihr ein ungewöhnliches Stück Kino gelungen, das trotz seines exotischen geographischen Ursprungs wohl kaum weiter entfernt sein könnte von Ethno-Klischees. Mit schwärzestem Humor erzählt sie von einem hermetisch abgeriegelten Dorf, in dem der Wille zu zwischenmenschlichen Regeln seltsame Blüten treibt. Die Darstellung der "Heiligen Woche" ringt dem Zuschauer daher auch eine Vielzahl von Reaktionen ab - vom derben Amüsement angesichts multifunktionaler Kruzifixe bis zur befremdeten Faszination, wenn sich die Männer des Dorfes wortlos ihre Schlipse abschneiden.
Llosa verurteilt ihre Figuren zwar nicht und erklärt auch nie den Ursprung der Rituale und Gepflogenheiten, doch hält der ironische Tonfall den Zuschauer stets auf Distanz. Trotz heftiger Themen wie Inzest und Mord haftet MADEINUSA eine seltsame Leichtigkeit an. Den bitteren Befreiungsschlag seiner zweifelhaften Protagonistin erwartet man daher beinahe sehnsüchtig, auch wenn er mit einigen bösen Überraschungen einhergeht. Ein bizarres und faszinierendes Erstlingswerk.
Originaltitel: MADEINUSA
Peru/Spanien 2005, 100 min
Verleih: Kairos
Genre: Drama
Darsteller: Magaly Solier, Carlos de la Torre, Ubaldo Huamán
Regie: Claudia Llosa
Kinostart: 11.01.07
[ Roman Klink ]