Wegen Diebstahls auf der Flucht vor der deutschen Polizei, sucht Rita in Belgien nach dem bislang unbekannten Vater. Der Zufall hilft ihr. Bald steht sie mit ihm, einem unbeholfenem Fremden, auf einer Terrasse. Die Menschen im Innern des dahinter liegenden Hauses sind Teil seines neuen Lebens, und er verhält sich, als hätte es nie eines davor gegeben. Daß die Mutter tot sei, erzählt Rita dem Vater, und will sich scheinbar einnisten. Doch bald treibt sie ihren unbequemen Aufenthalt derart auf die Spitze, daß der überforderte Vater, selbst bei der Polizei, sie an die deutschen Kollegen ausliefert. Rita kommt nebst ihrem Säugling in den Vollzug. Später sieht man sie bei einer Frau, die offensichtlich ihre durchaus lebendige Mutter ist. In deren Obhut finden sich zudem vier Kinder, die, fast beiläufig wird dies klar, auch Ritas eigene sind É
Maria Speths hier im dokumentarischen Stil porträtierte Rita (in der Hauptrolle eine großartig undurchsichtige Sandra Hüller) bleibt unberechenbar und fern, gleichwohl man nicht davon lassen kann, ihr zuzusehen. Dabei, wie sie sich darin übt, einen Alltag mit ihren Kindern zu leben, wie sie erneut Fluchtversuche aus der Normalität unternimmt und gar nicht weiß, was das eine ist und wohin das andere führen soll. Immer wieder gibt es Momente in dieser Beobachtung, die den Zuschauer glauben machen, die junge Frau könne zur Ruhe finden. So lernt Rita den amerikanischen Soldaten Marc kennen, der mit ihr und den Kindern leben will.
Aber was die Kamera in oft statischen Bildern einfängt, ist Unrast, ist die aufrecht erhaltene oder immer wieder zurückeroberte Distanz zu anderen. Ist die Verweigerung gegenüber den Kindern und festen Bindungen auch die Verweigerung der eigenen Mutter? Und wird Fanny, Ritas Älteste, den Versuch Tochter sein zu können, irgendwann aufgeben? Wird am Ende die Beziehung dieser befremdlichen Madonnen nur von Vorwurf und Verlustgefühl bestimmt sein?
Gleichwohl sie keine Antworten vorgibt und das individuelle Porträt Ritas weit entfernt ist vom Anspruch auf gesamtgesellschaftliche Relevanz, lenkt Maria Speth doch die Aufmerksamkeit des Zuschauers - unter anderem auf die Abwesenheit der Väter. Gleich ob sie sich entziehen oder gar nicht erst ins Bild rücken, ein Grund für die Unfähigkeit zum Muttersein im traditionellen Verständnis scheint hier gefunden - in der Rollenverweigerung der Väter.
D/CH/Belgien 2007, 120 min
Verleih: Peripher
Genre: Drama
Darsteller: Sandra Hüller, Olivier Gourmet, Susanne Lothar, Luisa Sappelt
Regie: Maria Speth
Kinostart: 13.12.07
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.