Ein echter Skandal. Zu den 65. Filmfestspielen von Cannes war im Wettbewerb keine einzige Regisseurin vertreten, die Männerdomäne Filmgeschäft ließ unverblümt die Maske als emanzipierte Branche fallen. Die Filmschulabsolventin Isabell Suba nahm die angesichts dieses eklatanten Mißverhältnisses entstandene Debatte zum Anlaß, ihr nächstes Filmprojekt thematisch daran anzuknüpfen. Denn Suba war mit ihrem Kurzfilm CHICA XX MUJER selbst nach Cannes eingeladen. Für sie die ideale Gelegenheit, die sexistischen Zustände vor Ort an der Côte d’Azur selbst zu überprüfen und ein interessantes Filmexperiment zu starten, bei dem die Grenzen zwischen Dokumentation und Spielfilm ähnlich aufgeweicht werden wie der rote Teppich vorm Palais, als es in diesem Jahr in Cannes so viel regnete wie schon lange nicht mehr.
Isabell Suba akkreditierte ein Alter Ego beim Festival und ließ sich vor der Kamera von der Schauspielerin Anne Haug verkörpern, welche die eigenwillige, aufbrausende Regisseurin mit Bravour darzubieten schafft. Als Gegenpart und Begleiter erfand Isabell den Produzenten David Wendtland, dargestellt vom Schauspieler und Produzenten der Mockumentary Matthias Weidenhöfer. David soll laut Regisseurin den Chauvinismus und die ganze Inkompetenz verkörpern, die Isabell bei männlichen Kollegen in ihrer jungen Karriere so untergekommen sind. Das gegensätzliche Pärchen wird in eines jener winzigen, von viel zu vielen Schlafgästen frequentierten Hotelzimmer gestopft, die in Cannes für Normalsterbliche die einzige Unterbringungsmöglichkeit darstellen. Daß sich die ehrgeizige Feministin Isabell und der eitle Macho David irgendwann an die Gurgel gehen, ist vorprogrammiert.
Obwohl das Gezänke sich äußerst unterhaltsam gestaltet und reale Konfliktherde zwischen Produzent und Kreativem treffend abbildet, sorgt die zentrale Konstellation auch dafür, daß der Mißstand des Sexismus’ in der Branche zunehmend aus dem Fokus gerät und zur Privatangelegenheit schrumpft. Die Figur des David ist dann doch zu eindimensional, die Konflikte mit der um Welten interessanteren Isabell wirken so auf Dauer konstruiert und willkürlich. Als weiterer Störfaktor im dargebotenen Cannes-Chaos entpuppt sich die bemühte Dreiecksgeschichte mit einer attraktiven Schauspielerin. Trotz eines spannenden Ansatzes und einiger schöner Ideen passiert dem Film so letztendlich das, was er dem ganzen Cannes-Zirkus indirekt vorwirft: Er verbleibt an der Oberfläche.
D 2013, 83 min
FSK 0
Verleih: Missing Films
Genre: Komödie, Satire
Darsteller: Anne Haug, Matthias Weidenhöfer, Eva Bay
Regie: Isabell Šuba
Kinostart: 14.08.14
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...