Originaltitel: MAESTRO

USA 2023, 129 min
FSK 12
Verleih: Netflix/24 Bilder

Genre: Drama, Biographie, Musik

Darsteller: Bradley Cooper, Carey Mulligan, Matt Bomer, Maya Hawke, Sarah Silverman

Regie: Bradley Cooper

Kinostart: 07.12.23

Noch keine Bewertung

Maestro

Eine Frage der Nase?!

Bradley Cooper bewies den falschen Riecher, als er eine Nasenprothese wählte, um Leonard Bernstein (vermeintlich) ähnlicher zu sehen, der Antisemitismus witternde Aufschrei folgte – angesichts sensitiver Zeiten erwartungsgemäß, was Cooper tatsächlich hätte ahnen und schlicht verzichten können – prompt. Von „Jewfacing“ war die Rede, vereinzelt nahmen Kritikerkollegen gar Parallelen zur NS-Diktatur wahr. Das kann man teilen. Oder den Zinken zwar albern und überpräsent nennen, ansonsten aber Bernsteins Kindern zustimmen, die sich entspannt gaben: „It Happens To Be True That Leonard Bernstein Had A Nice, Big Nose. Bradley Chose To Use Makeup To Amplify His Resemblance, And We’re Perfectly Fine With That. We’re Also Certain That Our Dad Would Have Been Fine With It As Well.“ Eventuell findet man die anhängende Kontroverse darum, einen jüdischen Komponisten/Dirigenten vom irisch-italienisch-amerikanischen Hollywoodstar verkörpern zu lassen, eher mit zweierlei Maß gemessen, schließlich müßten entsprechende Proteste der Gänze halber einen schwulen jüdischen Darsteller fordern. Entzündet sich hiesiges Biopic doch kaum an Abstammung, sondern weit mehr an (Homo-)Sexualität.

Welche, wie wir im ersten, seine aufstrebenden Jahre beleuchtenden Akt erfahren, Bernstein ziemlich unverborgen lebt. Cooper trägt überbordende Leidenschaft bei, inneres Leuchten, Brennen für die Kunst. Und irgendwann für Felicia Montealegre, Schauspielerin. Später Bernsteins Ehefrau – trotzdem. Carey Mulligan verleiht Felicia einen betörenden Mix aus neckischer Mädchenhaftigkeit und zielstrebiger Klarheit, es bleibt nie nur der Hauch einer Frage offen, was Leonard zu ihr zog, umgekehrt gilt’s leider nicht adäquat. Das regelrecht geschwätzige Drehbuch ergeht sich seitenweise in philosophischen Diskursen und geheimnislos Ausgesprochenem, weiß indes bloß punktuell emotionale Bande zu knüpfen. Und Cooper fügt dem ständig grinsenden Kindskopf mimisch auch zu rar gesäte Facetten hinzu.

Es hilft nach einigem Staunen, dem Sattsehen ebenfalls wenig weiter, daß der Regisseur Bradley Cooper gemeinsam mit Kameramann Matthew Libatique prächtige schwarzweiße Bilderwelten generiert, manchmal echte Magie knistert, Perspektiven wechseln, eine Musicalnummer hinreißt. Weil es dann gleich wieder um variierende Klangfarben beim Furzen geht, worauf Felicia spricht: „Das war schön.“ Hoffentlich meint sie nicht die Flatulenz! Dieses kommunikative Dauersenden kappt zuschauerseitig schnell den Willen zum Empfangen, eine wirkliche Verbindung fehlt, erblüht zart erst in Akt II, jetzt farbig und auf Felicia konzentriert. Beobachtend, wie sie sich angesichts der Affären ihres Gatten zunehmend versteift, Mund und Augen zeigen Härten, die omnipräsente Zigarette dient dem Festhalten. Mulligan meistert jenen Charakterbruch bravourös, schultert nun praktisch den Film, während Cooper dazu vielleicht etwas seltener lächelt, ein unbestrittenes Genie simplifiziert, eine komplexe, zerrissene Figur auf rudimentäre Basiskonturen herunterbricht. In Funktion des Co-Autors der Kollegin zumindest ein paar spannende Dialogzeilen schrieb, darunter zwiespältige Loyalität in zwei Sätzen: „Wir gehen nicht einfach weg. So was machen wir nicht.“ Ergo lieber den gewaltigen Konflikt ruckzuck aus der unverzüglich davon bereinigten Welt kicken, zugunsten eines noch zerreißenderen Schicksalsschlages.

Es wäre nicht überraschend, würde MAESTRO ungeachtet eigentlich bester Grundvoraussetzungen auf den kommenden Nominierungslisten diverser Preise vergeblich zu suchen sein; gerechterweise abgesehen von Mulligans Namen. Und, um den Kreis zu schließen: Die Nase trüge daran keine Schuld.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...