Fangen wir mit einem Stoßseufzer an: Schon wieder eine Naturdoku! Muß das sein? Warum geht denn der Deutsche, wenn er Natur will, nicht einfach in selbige, sondern ins Kino? In den letzten Jahren erkundeten Filmteams für heimische Leinwände etwa schon die Alpen von oben, den Rhein der Länge nach, die Nordsee kreuz und quer und „unseren“ Wald bis ins kleinste Unterholzfitzelchen. Und das immer nach dem gleichen Schema, als wären Naturliebhaber besonders konservative Cineasten. Bloß nicht abweichen vom gut beschilderten Wander- und Lehrpfad des Bewährten.
Der sieht so aus: Bevorzugt erhabene Bilder sind unterlegt (oder besser: übertüncht) mit bevorzugt erhabener Musik und Kommentaren gediegener Wissensvermittlung (gelegentliche Erhabenheit im Tonfall ist erlaubt, wenn nicht gar erwünscht). Nach diesem Muster wird alle Natur kinematographisch domestiziert, gleich- und plattgemacht zur Projektionsfläche eines immer etwas wabernden Hochgefühls. Verrückterweise funktioniert das sogar bei einer Landschaft, die man mit „Erhabenheit“ nicht wirklich assoziiert – wie jetzt MAGIE DER MOORE beweist. Ins Skandinavische führt die Expedition und hinein in eine dort sich hektarweit ausbreitende Moorlandschaft, deren sich wandelnde Anmutung im Laufe der Jahreszeiten dokumentiert wird. Und das in faszinierenden Bildern.
Da strecken sich zur Nacht die Äste vermeintlich toter und bizarr verkrümmter Bäume gespenstisch ins Mondlicht, vollführen Kreuzottern Balzkämpfe, die wie choreographiert wirken, geht der Blick hinab in den Unterwasserkosmos eines rätselhaften, mikroskopischen Paralleluniversums und wieder hinauf zu imposanten Elchen und Bären, die instinktsicher über einen heimtückisch nachgiebigen Boden wandeln.Das latente Gefühl der Gefährlichkeit des Moores kontrastiert effektvoll mit seiner Pracht und Schönheit. Eine Ambivalenz, die die Doku ausreizt, schwelgend in der Farbenvielfalt einer Flora, die nicht selten etwas von einem heimtückischen Locken hat. Visuell ist das erstklassig.
Möglich, daß man darüber das Blubbern einer Musik vergißt, die wie süßliches Sumpfgas aufsteigt. Oder Axel Milbergs Stimme, die die Reize und Wesenszüge der Landschaft auch dann noch anpreist und erklärt, wenn man sich ihrem Anblick einfach mal nur in Ruhe hingeben möchte. Nun ja, muß wohl so sein. Grade im Moor sollte man ja nicht abweichen vom bewährten Wanderweg.
D 2015, 99 min
FSK 0
Verleih: Polyband
Genre: Dokumentation, Natur
Stab:
Regie: Jan Haft
Stimmen: Axel Milberg
Kinostart: 24.09.15
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.