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Malen oder lieben

Szenen einer Ehe

Ziemlich zeitig im Film sagt die leidenschaftliche Malerin und Unternehmerin Madeleine, daß Hausbesitz auch ein Gefühl sei. Damit ist die Richtung vorgegeben. Dies soll ein Film über das Private, hier im Leben eines Paares, werden, über die Bastionen, die man sich stets und im reiferen Alter gezielter schafft. William, der Mann Madeleines, zweifelt kurz ob des doch Ehrfurcht einflößenden ruinösen Charakters des Hauses. Ein Haus mit einer wie auf Stelzen angelegten Terrasse, die Weitblick offeriert und doch wirkt wie ein indianisches Totenlager. Doch als William sich mit zwei Händen durchs Haar fährt und einen ganz kurzen, aber prägnanten Blick zurück wirft, dann weiß der Zuschauer, daß auch der frühpensionierte Mann verschossen ist. In ein malerisches Haus, in eine neue Aufgabe und ganz frisch in Madeleine.

Da dieser durchaus ungewöhnliche, aber gehörig interessante Film nicht vor hat, eine Schmonzette Pilcherschen Formats zu werden, müssen die Brüche her. Und dafür werden der blinde Bürgermeister des romantischen Dorfes und sein schönes Weib eingeführt. Mit ihnen hält auch eine neue Sinnlichkeit Einzug. Alles riecht, alles klingt, alles fühlt ... Es wäre vermessen, an dieser Stelle zu verraten, auf welch neuem Terrain Madeleine und William sich erproben werden. Der Zuschauer darf gespannt und wird überrascht sein. Was in groben Zügen nach barockem Ohnsorg-Theater klingt, entpuppt sich auf kleinen Schritten als kluge Studie eines Paares, das sich trotz der langen Ehe nie so weit entfernt hat, als daß es nicht immer wieder zurückfinden könne. Es geht also um das Bild des Hafens, und damit bewahrheitet sich Madeleines anfänglicher, fast beiläufig hingehauchter Satz, dem kein versnobter Materialismus unterzumogeln ist.

Den Gebrüdern Larrieu ist ein präzise beobachtetes, verblüffendes und so wohltuend unaufgeregt parlierendes Stück Erwachsenenkino gelungen, das mit seinen beiden Stars Sabine Azéma und Daniel Auteuil einmal mehr zeigt, was hochtalentierte Schauspieler eben nicht brauchen: keine nudistischen Grenzgänge, kein blutiges Szenario, keine ausgeschnatterten Gefühlsbekundungen. Hier reichen Blicke, Nichtgesagtes, Berührungen. Und ein anrührendes Chanson von Jacques Brel. Solche Filme zu besitzen, ist auch ein Gefühl.

Originaltitel: PEINDRE OU FAIRE L’AMOUR

F 2005, 98 min
Verleih: Prokino

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Sabine Azéma, Daniel Auteuil, Amira Casar, Sergi Lopez

Regie: Arnaud Larrieu, Jean-Marie Larrieu

Kinostart: 15.06.06

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.