Originaltitel: PAPA OU MAMAN

F/Belgien 2014, 84 min
FSK 0
Verleih: Tobis

Genre: Komödie

Darsteller: Laurent Lafitte, Marine Foïs, Vanesse Guide, Alexandre Desrousseaux

Regie: Martin Bourboulon

Kinostart: 09.07.15

14 Bewertungen

Mama gegen Papa

Rosenkrieg auf Französisch

Kürzlich bei mir im Viertel: Ein vielleicht 3jähriges Mädchen steuert mit seinem Dreirad zielorientiert und verkniffenen Auges auf mich zu, hektisch sabbernd: „Umfahren, umfahren!“ Und die Mutter dazu? Nun, die birkenstockbeschuhte Frühvierzigerin klatscht beherzt in die Hände und juchzt pädagogisch wertlos über das so zuckersüße Entfaltungspotential ihrer Nachkunft. Ja, so geht Erziehung heute! Was das mit dem Film zu tun hat? Warten Sie’s ab.

Doch, doch, die beiden passen zusammen. Sie kracht seinen Computer runter, er wirft mit der Weinpulle nach ihr, so etwas schweißt zusammen. Und trotzdem, gut 15 Jahre später ist der Ofen aus, die Liebesglut gelöscht: Freunde ja, Eheleute nein. Bleiben nur die Scheidung und ein kleines Problem: Wie sag’ ich es dem Kinde? Oder eben gleich dreien. Florence, die Ingenieurin, und Vincent, der Frauenarzt, glänzen in ihren Jobs, geht es ans Private, versagen sie jämmerlich. Nun ist es ohnehin kein Leichtes, ihren drei Süßen die wenig frohe Kunde anzutragen, man muß da aber ergänzen: Florence und Vincent haben auch genau die Kinder, die sie verdienen. Drei ätzende Musterbeispiele antiautoritärer Erziehung, die sich von Mama und Papa ständig bitten lassen müssen, dies zu tun, jenes zu lassen und dann immer noch ’ne Fresse ziehen. Da sind wir wieder beim Einstieg in den Text: Die beiden fahren nun die Ernte ein, die eingangs beschriebene Mutter ist noch mitten bei der Saat. Vincent und Florence reden sich reichlich Mut zu, morgen Abend soll es so weit sein, wird schon gut gehen. Tut es nicht! Beim Wort „Scheidung“ muß die präpubertäre Emma kotzen, der Teenie Mathias dauerstammelt „Ich faß’ es nicht!“, und der besonnene 9jährige Julien fragt nur sachlich: „Wann?“

MAMA GEGEN PAPA ist ein derbes, teils irrwitziges und dabei wohltuend kompromißloses Lachstück, wie es eben nur die Franzosen hinkriegen. Als es um das Sorgerecht geht, haben die Kinder ein Wort mitzusprechen. Mama und Papa, prachtexemplarische Egomanen der Moderne, ziehen in den Krieg – ohne Rücksicht auf Verluste! Fliegende Nager, Kinder an der Rotweinpulle, Paintballattacken und Spüli auf die Nudeln – jedes Mittel scheint recht in einem Rosenkrieg der brüllkomischen Art. Es drehen eh alle am Rad: Die Tochter droht mit Selbstmord, wenn sie mit 13 noch immer keine Regel hat, der Kleinste liebäugelt mit Drogen, wenn Mama sich auf ihren schmierigen Chef einläßt, Mathias bewirft Lehrer eben mit Joghurt, der Noch-Arztgatte vögelt die Krankenschwester. Eine Familie vom Wahnsinn umzingelt. MAMA GEGEN PAPA ist ein fettgefutterter Zwerchfellangriff. Mit pointiertem Witz, manch’ gut gesetzter Grobheit, einem ordentlichen Tempo und umwerfend spielfreudigen Schauspielern dürfte dies die Komödie des Sommers werden.

Regisseur Martin Bourboulon gelingt es schließlich, obwohl er dem Affen richtig Zucker gibt, uns das anfänglich nicht sonderlich sympathische Personal dann aber doch über ihre Schwächen, Wut, Unerschrockenheit und Gegenwehr in die Herzen zu mogeln. Home Is Where The Heart Is – die Erkenntnis schwingt mit, ohne dabei den lauwarmen Tonfall ewig gleicher weichgespülter amerikanischer Familienkomödien anzuschlagen. Denn noch mal: MAMA GEGEN PAPA teilt richtig aus! Und der Schluß? Nun, man verrät keinesfalls zu viel, daß Laurent Lafittes dunkle Augen und Marine Foïs’ unsicherer Zug um den Mund herum schon ein wenig daran zweifeln lassen, daß die Glut für immer erloschen sein soll. Da setzt dann auch David Bowies „Modern Love“ die Klammer perfekt.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.