Originaltitel: UN TOUR CHEZ MA FILLE
F 2021, 89 min
FSK 12
Verleih: Filmwelt
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Josiane Balasko, Mathilde Seigner, Jérôme Commandeur, Philippe Lefebvre, Line Renaud
Regie: Eric Lavaine
Kinostart: 25.05.23
Um direkt mögliche Titelverwirrungen aus der Filmwelt zu schaffen: Fortsetzung ja, Loriot nein (wie auch?!), sondern Nachfolger von WILLKOMMEN IM HOTEL MAMA. Der bereits ein paar Jährchen auf dem Buckel, aber nichts an Charme verloren hat.
Infolge der dortigen Verwicklungen plant Witwe Jacqueline nun das Zusammenleben mit Nachbar Jean. Ziemlich schwerer Fehler, vor allem für Jean. Denn Jacqueline hat das gemeinsame Domizil sofort zu ihrem erkoren, wozu beispielsweise gehört, daß exakt identische Geschirrtücher stark differierenden Zwecken – Krümelbeseitigung versus Glasputz – dienen. Außerdem soll die Bude renoviert werden, angesichts bloß eines einzigen angeheuerten Handwerkers kann das schon dauern. Jacqueline erbittet Unterschlupf bei ihren Kindern, Tochter Stéphanie ist durch Standortwechsel gen Brasilien entschuldigt, der Rest zieht Streichhölzer.
Schleichend fordert eine gewisse Verdunklung im Ton Aufmerksamkeit, einst lockerer Slapstick hat sich emotional verschwert: Jacqueline stört. Zunächst erträgt Sohn Nicolas den Überfall zwar hinlänglich tapfer („Für mich ist Mama … wie eine Mutter!“), reicht die Heimatlose indes fix an Schwester Carole weiter. In deren Paartherapie sie platzt, weder Home Office noch die schiere Heiligkeit von Leitungsmeetings begreift, sogar wegen schräg verketteter Zufälle bald als Nymphomanin gilt. Bis Carole keinen rechten Ausweg mehr sieht, daher den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben sucht und Oma – Jacquelines Maman – anschleppt, was bestehende Machtverhältnisse spontan dreht. Und zum mimischen Gipfeltreffen führt: Josiane Balasko gegen Line Renaud, zwei Gigantinnen auf Konfrontationskurs! Der ungewohnt weichen Mathilde Seigner bleiben da fast nur Stichworte.
Wie ein knorriger Baum erst zur herumirrenden Wandereiche gerät, bevor er zu tief grabende Wurzeln schlägt, beobachtet Regisseur Eric Lavaine hier also aus relativ sicherer Entfernung zu seinen Figuren, zaubert jedoch erneut einige gelungene Tricks aus dem Erzählerhut. Darunter der unglücklich zum falschen Hund mutierte Rantanplan. Schön vehemente Verteidigung der Idee von Sex im Alter. Dann jenen tragischen Moment, welcher Jacqueline die vorangegangene Verlosungsaktion offenbart. Ob tatsächlich Absicht oder reine Interpretation: Man glaubt, Lavaines Stimme aus dem Off zu hören, die rät, Mutti mal wieder anzurufen …
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...