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Mammuth

Bloß nicht aussterben!

Madame Pilardosse ahnt Schlimmes. Ihr Serge, der bis eben noch am Fließband Schweineleiber in pfannengerechte Stücke hackte, wird im „wohlverdienten Ruhestand“ nicht viel mit seinen großen Händen anzufangen wissen. Erst recht nicht mit einem 2000teiligen Puzzlespiel, dem höhnischen Abschiedsgeschenk der Fleischereikollegen, das jeden anderen beleidigt hätte. Serges „Prostata ist im Arsch“, stellt die biologisch offenbar unbeschlagene Gattin fest. Seine Rente auch, meint die zuständige Behörde – wenn er nicht schleunigst die fehlenden Papiere beibringt. Also hievt sich der Riese mit Rapunzelhaar auf sein museales Motorrad der Marke Münch Mammut, um bei landesweit verstreuten ehemaligen Arbeitgebern Versicherungsbelege einzusammeln. Ein Mammut(h)projekt mit ungewissem Ausgang ...

In den Filmen von Benoît Delépine und Gustave Kervern ist man meistens mächtig unterwegs. Auf acht Rollstuhlrädern nach Finnland zum Beispiel, oder mit einer mordlustigen Textilarbeiterin an die Kriegsschauplätze des zeitgenössischen Wirtschaftsgebarens. Aber so weit hinauf, auf ein zwischen Alltäglichkeiten, Traurigkeiten und abwegigen Verrücktheiten gespanntes Drahtseil, ging es dabei wohl noch nie. Grobkörniges Filmmaterial von komisch-banaler Übersichtslosigkeit in der einen, Panoramen mit feinsinnigen perspektivischen Kontrasten in der anderen Hand, tanzt das Regie-Pax-de-Deux federleicht um Schlagwörter wie Prekariat, Alterspyramide und Lebensmüdigkeit herum. Hinein in ein Reisegedicht über bedrohte Menschenarten und schräge Vögel. Es reimt sich prächtig, und zwar auch in deftigen Schweineversen.

In diesen schwindelerregenden Höhen wird sogar mit Schwergewichten balanciert. Von der brillanten Yolande Moreau, die Szenen nicht betritt, sondern bewohnt, wollen wir in einem so uncharmanten Zusammenhang nicht sprechen. Aber von Gérard Depardieu. Ihm geht der Ruf einer alle Rahmen sprengenden physischen Präsenz voraus, dem sich sein Körper über die Jahre anzupassen scheint, um es liebevoll zu sagen. Und mag er auch einige der marginalsten Großproduktionen mit seinem beachtlichen Bauch durch die schmale Tür zum Kassenerfolg geschoben haben – als widerständiges, urzeitlich-elefantiges, anrührendes und wortkarges Körpermassiv ist und bleibt er einfach unvergleichlich.

Originaltitel: MAMMUTH

F 2010, 92 min
FSK 12
Verleih: X Verleih

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Gérard Depardieu, Yolande Moreau, Isabelle Adjani, Miss Ming

Stab:
Regie: Benoît Delépine, Gustave Kervern
Drehbuch: Benoît Delépine, Gustave Kervern

Kinostart: 16.09.10

[ Sylvia Görke ]