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Maps To The Stars

Die Traumfabrik im Alptraum-Porträt

Cronenberg dreht in Hollywood. Das erste Mal in seiner Karriere. Und dann gleich einen Film, der nicht nur dort spielt, sondern auch von Hollywood handelt. Und zu dem Hollywood-Kenner (und -Verächter) Bruce Wagner das Drehbuch lieferte, das auf dessen Roman „Dead Stars“ basiert.

Es ist ein Panoptikum der seelischen Mutanten, das sich hier ausbreitet: Da ist der 13jährige Kinderstar Benjie Weiss. „Bad Babysitter“ heißt der Streifen, mit dem er vier Jahre zuvor in den Superstarhimmel katapultiert wurde. Ein Kotzbrocken zwischen Unsicherheit und Anmaßung ist dieser Benjie. Daß er auf Drogenentzug ist, macht ihn nicht umgänglicher. Daß seine Mutter sich eher aus geschäftlichen Gründen denn aus Liebe um die Gesundheit des Jungen sorgt, auch nicht. Und auch Benjies Vater, ein Psychoanalytiker-Guru mit Hang zur Esoterik, ist eher der Falsche bezüglich etwaiger Vorbildwirkung. Ein Familiengebilde, fragil gekittet durch Neurosen und Narzißmus.

MAPS TO THE STARS zeigt das zu Beginn mit einer Mischung aus Süffisanz und jener kalten, genau beobachtenden Distanz, die dem Gros von Cronenbergs Filmen ihren eigentümlichen Reiz verleihen. Doch ist das erst die Basis für eine labyrinthische Geschichte, in der plötzlich Benjies verstoßene Schwester, die geheimnisvolle und von Verbrennungen entstellte Agatha, auftaucht. Und als wäre die eine Ariadne, bündeln sich mit ihrem Erscheinen die Erzählfäden. Benjie beginnt den Geist eines toten Mädchens zu sehen, ganz wie die alternde Schauspielerin Hazel, die bei Benjies Vater in Therapie ist, den Geist ihrer Mutter sieht. Die Satire wird zum Alptraum, und das, was im Kern dieser Seelenlabyrinth-Verzweigungen lauert, ist ein Geheimnis. Abgründig, fatal und tödlich.

MAPS TO THE STARS fügt sich nahtlos ein in jene Hollywood-Demontagen, die sich von Wilders SUNSET BOULEVARD über Schlesingers DER TAG DER HEUSCHRECKE zu Altmans THE PLAYER spannen. Allerdings angereichert mit einem irrlichternden Zug ins Unheimliche, in einen Wahnsinn, in dem die Toten wandeln, und die Lebenden oft wie tot scheinen. Und wo sich das Pathologische und Degenerierte verdichten zu einer Fratzenhaftigkeit der bösen Tragik, die zugleich abstoßend, faszinierend, gespenstisch und vielleicht gerade darin „realistisch“ ist. Wie auch das Filmende, mit seinem Blick in den nächtlichen Sternenhimmel. Einem Blick, wie er trauriger und bitterer kaum sein kann.

Originaltitel: MAPS TO THE STARS

Kanada/USA/F/D 2014, 111 min
FSK 16
Verleih: MFA

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Julianne Moore, Mia Wasikowska, Evan Bird, Olivia Williams, John Cusack, Robert Pattinson

Regie: David Cronenberg

Kinostart: 11.09.14

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.