Originaltitel: RADIOACTIVE
GB 2019, 103 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal
Genre: Biographie, Drama
Darsteller: Rosamund Pike, Sam Riley, Anya Taylor-Joy, Aneurin Barnard
Regie: Marjane Satrapi
Kinostart: 16.07.20
„Diese Frau liebte und forschte wie ein Physik-Popstar“, so eine der bezeichnendsten Schlagzeilen zu Marie Curie. Denn bis heute ist die zweifache Nobelpreisträgerin eine der bekanntesten Wissenschaftlerinnen und wird entsprechend gerne als Vorzeigeintellektuelle, Wissenschaftsmythos, Rebellin und Vorbild für Mädchen medial „aufbereitet.“ Vor allem, wenn es mal wieder um Feminismus gehen soll. Aber weil sie eben eine Frau war, muß sie sich auch heute noch an den Errungenschaften der Männer messen lassen.
Deshalb hat Marjane Satrapi wohl auch Curies Kampf um wissenschaftliche Anerkennung verstärkt in den Fokus gerückt, was fraglos besser ist, als die Forscherin in MARIE CURIE von Maire Noelle in 2016 mit hauptsächlich weichgezeichneter nackter Haut zwischen Reagenzgläsern sich herumräkeln zu lassen und alle überlieferten klugen Sätze, die Curie je gesagt hat, abzuspulen. Also, auf in den Kampf um das Labor, ignoranten alten weißen Männern die Stirn geboten und dann endlich Pierre Curie kennenlernen. Trotzdem erzählt Satrapi in diesem Biopic am Ende wenig, was wir nicht schon wußten. Sie versucht, auf der Bildebene vom reinen Historienfilm-Setting abzurücken und basierend auf der Graphic Novel „Radioactive: Marie & Pierre Curie – A Tale Of Love An Fallout“ von Lauren Redniss Hiroshima, Tschernobyl und die Krebs-Therapie einzuflechten. Das ist in jedem Fall von beeindruckender Ambition, fühlt sich im Erzählfluß aber leider nicht immer organisch an.
Wäre es also nicht an der Zeit, sich jenseits ausgetretener biographischer Pfade an eine Interpretation zu wagen? Statt nur mal eben alle Lebensstationen, gespickt mit Liebe und berüchtigter Affäre, abzuhandeln und damit hauptsächlich handwerklich gut gemachtes Schulwissen zu bebildern, mal eine Versuchsanordnung zu entwickeln, um an den inneren Kern der Forscherin vorzudringen? Zum Beispiel den Blick auf das Verhältnis zu ihren beiden Töchtern Ève und Irène verschieben? Immerhin hat sie die beiden nach dem frühen Unfalltod ihres Mannes in einer Art Lernkooperative mit befreundeten Wissenschaftlern unterrichtet. Während sie als erste Professorin an der Sorbonne lehrte. Irène und ihr Ehemann Frédéric Joliot-Curie erhielten 1935 den Chemienobelpreis. Ève wurde Schriftstellerin und arbeitete während des Zweiten Weltkrieges als Kriegsberichterstatterin. Denn wenn auch vor allem durch Rosamund Pike das aktuelle Werk auf jeden Fall sehenswert bleibt, wäre dies eine Idee für den nächsten Curie-Film.
[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...