Originaltitel: MARTIN EDEN
I/D/F 2019, 129 min
FSK 6
Verleih: Piffl
Genre: Drama, Literaturverfilmung
Darsteller: Luca Marinelli, Jessica Cressy, Carlo Cecchi
Regie: Pietro Marcello
Kinostart: 26.08.21
Jack Londons „Martin Eden“ ist ein Klassiker der Weltliteratur, darüber gibt es nichts zu diskutieren. Zudem wird der autobiographisch gefärbte Roman gern als der beste des Autors gehandelt. Was man wiederum diskutieren könnte. Wie jetzt auch eine neue Verfil- mung des 1909 erschienenen Buches gut zeigt. Ist doch dem italienischen Regisseur Pietro Marcello mit seinem MARTIN EDEN eine einerseits freie und zugleich doch den Impetus der Vorlage treffende Adaption gelungen. Was allerdings nicht nur die Stärken des Buches, sondern auch dessen Schwächen einbezieht.
Der Seemann Martin Eden rettet im Hafen den schmächtigen Arturo, ein Jüngelchen aus gutem Hause, vor den Fäusten eines Grobians. Aus Dankbarkeit wird Martin von Arturos Familie eingeladen. Und lernt somit nicht nur die Welt der Reichen, sondern auch Arturos Schwester Elena kennen. Eine Schönheit mit Neigung zu schönen Dingen. Elena malt, spielt Klavier und liest Poesie. Letztere vor allem ist es, die auch Martins Herz schnell entflammt. Also neben Elena selbst natürlich. Doch um die etwa zu heiraten, das ist Martin klar, gilt es erst einmal die soziale Kluft zwischen ihnen zu überwinden. Die Literatur soll dabei helfen. Der Sozialismus irgendwann ebenso. Aus Amerika nach Italien, nach Neapel, verlegte Marcello die Handlung des Romans. Und befreit diese zudem sehr geschickt aus ihrem dezidierten Realismus, indem er mit assoziativ ineinanderfließenden Zeitebenen das 20. Jahrhundert bis in die frühen 70er hinein als visuelle Melange spiegelt. Eingefügte historische Dokumentaraufnahmen verstärken diesen „irrealen“ kunstvollen Eindruck eher noch, als daß sie ihn abschwächen.
Marcello erschafft so einen Handlungshintergrund, vor dem Eden dann wiederum wie ein Artefakt aus jenen Zeiten aufscheint, in der freigeistige Feingeister sehr gern leidenschaftlich das wilde Haar aus der Stirn schüttelten, während sie Gedichte rezitierten oder auch den Klassenkampf predigten. Womit der Typus des rebellischen Sensibelchens und des proletarischen Poeten, der der Literatur zutraut (oder zumutet), nicht nur das Leben des Einzelnen, sondern auch die Gesellschaft zum Besseren zu wenden, dann auch in diesem Film als das ersteht, was er immer war und ist: ein tragikomischer Narr. Ob nun Jack London oder Pietro Marcello das ebenso sehen, gehört dann wiederum zu den Dingen, über die man diskutieren könnte. Das Buch zu lesen und diesen Film anzuschauen, lohnt sich auch dafür.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.