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Mathilde – Eine große Liebe

Amélie hinkt jetzt

Audrey Tautou hat es wirklich nicht leicht. Etwas anderes als die Amélie nimmt man ihr einfach nicht mehr ab. Auch wenn sie jetzt Mathilde heißt, das Bein nachzieht und auf der Suche nach ihrer langweiligen Jugendliebe detektivisch in alten Greueltaten aus dem Ersten Weltkrieg herumstochert. Und schon gar nicht in einem Film von Jeunet. Der hat, abgesehen vom Erfolgsfaktor, nicht nur schlecht daran getan, Tautou (und sein halbes Stammpersonal) wieder zu besetzen, sondern auch noch ein ganz anderes Problem: Er will sich vom Amélie-Wohlfühl-Duktus nicht lösen und zugleich ein großes Kriegsmelodram erzählen. Das Ergebnis ist zäh und klebrig.

Tautou gibt wieder die phantasiebegabte Träumerin. Das heißt in diesem Falle: hoffnungsbegabt - was im Film als große Willensstärke verkauft wird. Mathilde will nicht akzeptieren, daß ihr Verlobter im Krieg gefallen ist. Wider alle Vernunft stellt sie Nachforschungen an und findet Spuren eines Schützengraben-Dramas um fünf zum Tode verurteilte Franzosen, darunter ihr Verlobter. Hat einer von ihnen überlebt? Mathilde sucht die Angehörigen auf und läßt die Vergangenheit um die fünf Soldaten wieder auferstehen. Die Gestaltung der grauenvollen Kriegsszenerie gelingt durchaus, und in der plüschigen Nachkriegshandlung hagelt es ohne Frage wieder viele schöne und witzige Einfälle und ästhetische Besonderheiten. Eine bunte Wunderkiste aus dem Spielzeugladen des detailverliebten Jeunet.

Doch leider ziellos verpulvertes Material, denn weder die Hauptfigur noch die viel zu verworrene kriminalistische Rahmenhandlung halten das ewig lange Werk zusammen. Es ermüdet nur, und der Kontrast ist zu groß. Kriegsrealismus contra Märchenwelt, Schützengraben contra die französische Landschaft als Hochglanzprospekt, "Im Westen nichts Neues" contra "Die fabelhafte Welt der Amélie". Nicht nur Mathilde hinkt, sondern der ganze Film.

Originaltitel: UN LONG DIMANCHE DE FIANÇAILLES

F/USA 2004, 133 min

Genre: Drama, Kriegsfilm, Liebe

Darsteller: Audrey Tautou, Gaspar Ulliel, Jean-Pierre Becker

Regie: Jean-Pierre Jeunet

Kinostart: 27.01.05

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...