Originaltitel: PLUS QUE JAMAIS
F/D/Luxemburg/Norwegen 2022, 123 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Drama
Darsteller: Vicky Krieps, Gaspard Ulliel, Björn Floberg
Regie: Emily Atef
Kinostart: 01.12.22
Es geht um den Tod. Doch vor allem um die wahre Liebe. Und in diesem Fall ist nicht das kitschig Herzige aus den Netflix-Weihnachtsfilmen gemeint, sondern „The Real Thing“! Wie schon in ihrem letzten Film 3 TAGE IN QUIBERON versteht es Emily Atef, insbesondere ihre weibliche Hauptfigur mit einer Eindringlichkeit, Sensibilität und Stärke zu inszenieren, die ihresgleichen sucht.
Hélènes Geschichte ist eine des Abschieds, doch vor allem auch eine der Emanzipation. Sie leidet unter einer unheilbaren Lungenkrankheit, und ihr Freundeskreis verhält sich hilflos, die Mutter steht kurz vor dem Zusammenbrechen, aber Mathieu, mit dem sie eine zugewandte langjährige Beziehung führt, will für sie da sein. Er hofft auf eine Spenderlunge für seine Freundin, ihre einzige Chance. Im Internet stößt die junge Frau, die sich zunehmend unverstanden und isoliert fühlt, auf das Profil von „Mister“, der mit trockenem Humor und sehr besonderen Fotografien sein eigenes Sterben kommentiert. Die beiden beginnen sich zu schreiben, und Hélène faßt den Entschluß, „Mister“ in Norwegen zu besuchen. Daß sie in ihrem Gesundheitszustand alleine verreisen will, trifft gerade bei Mathieu auf großes Unverständnis. Hélène, zerbrechlich, leise und trotzdem unglaublich kraftvoll dargestellt von Vicky Krieps, macht sich auf den Weg und entscheidet sich das erste Mal nur für sich selbst.
Atef setzt den klaustrophobischen Innenräumen, in denen sich Hélène in Bordeaux kaum noch bewegt, die Weite und gleisende Helligkeit der norwegischen Landschaft entgegen. Hier kann die Lungenkranke wieder atmen, taucht ein in Fjorde und Weite, löst sich förmlich in ihnen auf, wie das berühmte Sandkorn in der Wüste. Und kommt zu sich. Sie muß keine Erwartungen erfüllen, die Anderen ob ihres Sterbens trösten. „Mister“ der sich als ein wortkarger Einsiedler entpuppt, läßt Hélène einfach sein, denn „die Lebenden können die Sterbenden nicht verstehen.“
Die Regisseurin holt mit ihrem Film den Tod ins Leben und setzt der Angst radikales Loslassen gegenüber. Denn erst, als Mathieu seine Bedürfnisse zurückstellt und die Moral über Bord wirft, kann das Paar sich wieder aufrichtig begegnen. Daß es Gaspard Ulliels letzte Rolle ist, bevor er im letzten Jahr bei einem tragischen Unfall ums Leben kam, verleiht der Schlußszene eine unsagbare Transzendenz. Und überhaupt möchte man diese Welt auf keinen Fall verlassen, bevor man genau diese Liebe gefunden hat, die Hélène und Mathieu verbindet.
[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...