Wenn das Land hoffnungslos verschuldet am Boden liegt und der Präsident ein Notgesetz ausruft, um nicht gehen zu müssen, dann ist es Zeit für die Bevölkerung, mit Kochtöpfen und anderen klangvollen Instrumenten auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Zeit für den politischen Filmemacher Solanas (DIE REISE, DER SÜDEN), seine Kamera einzuschalten.
Ausgehend von seinen Aufnahmen aus dem argentinischen Volksaufstand im Dezember 2001, der zum Rücktritt der Regierung De la Rua führte, geht Solanas der Frage nach, wie es in seinem Land zu einer solchen Armut und zur bislang schwersten Wirtschaftskrise kommen konnte. Sein Befund ist eindeutig: Der IWF-diktierte und kompromißlos neoliberale Kurs seit der letzten Militärdiktatur führte zum sozioökonomischen Supergau.
Von der Machart her ist MEMORIA DEL SAQUEO fast eine klassische Dokumentation. Er kombiniert Archivmaterial mit aktuellen Ereignissen. Er füttert seine Aussagen mit fundierten Informationen, abgesichert durch Experteninterviews und Zeugenaussagen. Ein wertfreier, historischer Bericht ist er allerdings nicht, sondern die Stellungnahme eines Globalisierungskritikers, der feststellen konnte, daß er als Filmemacher mehr erreicht denn als Politiker. Er ist also ein Aufklärungsfilm, eine Anklage und ein Lob des Widerstandes gegen Scheindemokratie und politischen Verrat, Ausverkauf öffentlicher Einrichtungen an die Privatwirtschaft, Straffreiheit für Millionäre usw.
Die Probleme sind spezifisch, doch die Kritikpunkte weisen über Argentinien weit hinaus. Vielmehr benennt der Film die Mechanismen der Globalisierung am Beispiel Argentiniens. Er nennt die Schuldigen - seien es die Banken, die Wirtschaftsverbände, die korrupten Politiker, die Medien - beim Namen und dokumentiert die Folgen des Desasters: die Verarmung und Deklassierung von Menschen. Er feiert den Mut des Volkes.
Und deswegen gehört der Film auch zu allererst ins Kino, das immer noch ein verläßlicherer Ort der Öffentlichkeit ist als das Fernsehen.
Originaltitel: MEMORIA DEL SAQUEO
Argentinien 2004, 118 min
Verleih: Pegasos
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Fernando E. Solanas
Kinostart: 28.10.04
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...