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Messies

Tief humaner Blick in menschliche Seelen

Männer haben bekanntlich viele herzige Eigenschaften, gerüchteweise zählt dazu, sich niemals nimmer nicht von irgendwelchem Gerümpel trennen zu können. Schließlich besteht ja eine minimale Restchance, den Kram noch mal zu brauchen, in 20 Jahren vielleicht. Daß dahinter aber nun nicht eine gutmütig zu verzeihende maskuline Macke stecken muß, sondern auch viel mehr lauern kann, damit setzt sich diese Doku auseinander.

Im Zentrum stehen Arthur, Karl, Thomas sowie mit Elmira auch eine Frau. Sie zählen als Messies, exzessive Sammler also. Bei Arthur sind es landwirtschaftliche Maschinen, wegen derer er ständig Zoff mit seiner Gemeinde hat. Karl schleppt so ziemlich alles an, hat gar Scheunen zur Aufbewahrung gemietet und kommt finanziell kaum mehr über die Runden. Elmira stapelt ihre Güter bereits im Treppenhaus, und Thomas nutzt jede Art von Technik, um seinen Wissensdurst zu stillen.

Nun wäre es theoretisch sicher der leichteste Weg gewesen, hier das Bild einer psychischen Krankheit zu zeichnen – praktisch fällt jenes Wort jedoch nur ein einziges Mal, und selbst dann reflektiert. Was angesichts des Sujets schwierig scheint, geschieht: Diese Doku nimmt sich zurück, beobachtet, wertet nie, vermeidet Urteile und das Vorführen ihrer Protagonisten. Sie behalten stets ihre Würde, erfahren keine Reduktion, dürfen ihre Gefühle wiedergeben. Da bekennt die studierte Opernfreundin Elmira offen, über Selbstmord nachgedacht zu haben, und Arthur erhofft sich, „ ... nicht wie Scheiße behandelt zu werden.“

Doch weil nun mal jedes Ding im Leben zwei Seiten hat, beleuchtet MESSIES gleichermaßen die andere Sicht: Karls Gattin Trudi mit dem unglaublich müden Gesicht sieht die 40jährige Ehe in echter Gefahr, sollte sich nichts ändern, schließlich ist sie ja auch ein Mensch mit Wünschen und Träumen. Karl weicht stets aus, erfindet Ausreden. Ob da eine Paartherapie helfen kann? Es kommt der Moment, welcher Karl weinend zeigt. Selbst dort gewährt ihm die Kamera jedoch Zurückhaltung und Respekt. Eine Großtat.

Daß am Ende billige Lösungen stehen, oder sich alles in unehrlichem Wohlgefallen auflöst, darf zum Glück nicht vermeldet werden. Dafür weiß einer der letzten Sätze seine Botschaft so nachhaltig wie moralfrei ins Zuschauerhirn zu pflanzen: Nehmt Euch endlich die Zeit und bringt den Willen auf, Eure Welt mit den Augen des Gegenübers zu sehen.

CH 2011, 117 min
FSK 0
Verleih: Fair & Ugly

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Ulrich Grossenbacher
Kamera: Ulrich Grossenbacher

Kinostart: 09.08.12

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...