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Mia san dageng!

Punk in München - eine Bilanz

Erstaunlicherweise beginnt die Dokumentation über die Punkszene Münchens ganz bieder mit einem geschichtlichen Abriß ihrer rebellischen Wurzeln, gestaltet in Stummfilmästhetik mit Kommentartext auf Bayrisch. Ein Bogen wird gespannt von der Künstlermetropole um 1900 - München wird als liberaler Gegenpol zum preußischen Militarismus dargestellt - bis zu den Anfängen der Punkwelle. Das Ziel ist klar: Ein Kontrastbild zum deutschlandweiten Image Münchens als großstädtische Wiege des katholisch genährten Spießbürgertums soll her. Mit etwas Mühe erreichen die Filmemacher dieses Etappenziel.

Und dann scheppert er auch schon los, der Punkrock in München. "Wie eine Atombombe" schlägt die Bewegung Ende der 70er ein, Bands wie Pack oder Alternative Arschlöcher bereiten den Weg. Die einstigen Punk-Pioniere kommentieren die wilden Anfangszeiten vom Wohnzimmersessel aus, Konzertausschnitte werden mit amüsanten Interview-Anekdoten angereichert. Und wieder denkt man als Punk-hungriger Zuschauer des Ganzen: Fast ein bißchen bieder in der Aufbereitung. Keine Wackler der Kamera, der Schnitt streng nach den Regeln der Continuity. Aber bald gibt das Archivmaterial das Anarchische her, was die filmische Bearbeitung vermissen läßt: Die 80er bringen Subkulturen der Subkultur hervor, die in ihrer Extremität auch den weniger Punk-affinen Betrachter in den Bann ziehen. Gruppen wie der "Flexhead-Orden" stellen mit ihren blutbesudelten Nietenuniformen ein Spektakel dar, das ganz und gar filmisch funktioniert. Und endlich rebelliert auch die Form: wilde Zusammenschnitte des exzessiven Anarcho-Daseins bringen einem den Underground-Zeitgeist tatsächlich näher.

Zum Schluß wird’s dann wieder etwas konventioneller. Ein Zeichen soll gesetzt werden, daß in München noch immer der Punker Pogo tanzt. Dafür werden dann die Reunion-Konzerte der Punk-Urgesteine mit Interviews einer neuen Generation von Punkrockern unterschnitten, ein Schriftzug läuft durch’s Bild, der auf die andauernde rechtsradikale Bedrohung hinweist. Dieses eifrige Schwenken der "Punk Is Not Dead"-Flagge vor der Nase des Zuschauers markiert das arg bemüht wirkende Ende einer unterhaltsamen Reise ins Innere einer scheinbaren kulturellen Paradoxie: Der des bayrischen Punks.

D 2007, 88 min
Verleih: Werkstattkino

Genre: Dokumentation, Musik

Stab:
Regie: Katz Seger, Olli Nauerz
Drehbuch: Katz Seger, Olli Nauerz

Kinostart: 17.04.08

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...