Originaltitel: MILK

USA 2008, 128 min
FSK 12
Verleih: Constantin

Genre: Drama, Biographie, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Sean Penn, Emile Hirsch, Josh Brolin, Diego Luna, James Franco

Regie: Gus Van Sant

Kinostart: 19.02.09

21 Bewertungen

Milk

Brillanter Film über einen Pionier der Schwulenbewegung

Daß Gefahr in Verzug war, muß Harvey Milk geahnt haben. Auch wenn er die ersten Drohbriefe noch weglachte. Doch ganz bewußt dokumentiert er nun seine Erinnerungen auf Band – ein schöner Kniff, um mit diesem Film von einem durch und durch beeindruckenden Menschen, vielleicht dem Wegbereiter einer selbstbewußten amerikanischen Schwulenszene, zu erzählen. Denn lang und steinig war der Weg auch noch nach Love & Peace und der Revolte im Stonewall Inn Ende der 60er Jahre.

Haß ist eine renitente Wüstenblume, das schlägt auch Harvey Milk ins Gesicht, als er sich zu Beginn der 70er im Schwulenviertel San Franciscos, im legendären Castro District, niederläßt, vorerst mit einem Fotoladen, der bald zur politischen Kampfzentrale wird. Denn Milk will an die Macht, nicht aus den üblichen niederen und sattsam bekannten Motiven der Politikstrampler, sondern weil er wirklich etwas ändern will. In diesen Tagen steht ihm der junge Scott zur Seite, den er eben noch frech an seinem 40. Geburtstag in der U-Bahn angesprochen hat. Deren Annäherung ist sehr schön erzählt, da staunt man schon, wird dies ein zärtlicher Film? Ja, und ein kämpferischer zugleich, weil genau diese Balance der Titelfigur am besten gerecht wird. Natürlich ist Milk keiner von diesen Schreibtischkarrieristen, er ist wie ein Großteil seiner Anhänger – selbstbewußt, geil, eitel, schwul, wütend, hoffnungsvoll und liebenswürdig. Und ehrgeizig. Diese Mischung macht klar, daß dabei immer auch Menschen auf der Strecke bleiben, die die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Partner nicht garantiert bekommen. Dazu werden Scott und später mit weitaus tragischeren Konsequenzen der junge Latino Jack gehören. Harvey und seine Anhänger scheitern immer wieder, um Milk als Stadtrat zu installieren, doch ein dritter Versuch bringt den Erfolg. Castro und Heights, die Schwulen und die Hippies sind das Zünglein an der Waage. Zuvor wurde schon die sogenannte Proposition 6 attackiert, auf deren Grundlage schwule Lehrer vom Schuldienst entlassen wurden.

Gus Van Sant reist relativ schnell durch die Jahre, aber das ist nur effizient, weil er seinen intimen Fokus auf eine spannende Persönlichkeit und das Wiedererstarken einer Bewegung setzt. Van Sant vermag es, ein Zeitgefühl heraufzubeschwören, durch seine Nahdranerzählweise ist die Wut im Herzen und das Fieber auf dem Pflaster der Großstadt zu spüren. Die schönsten Momente sind dabei eben wiederum die kämpferischen und die zärtlichen, die ein brillanter Sean Penn in der Hauptfigur ganz wunderbar auslotet – im wild-leidenschaftlichen Zusammenleben mit seinen Liebhabern und in den rhetorisch geschliffenen Disputen mit den politischen Widersachern wie der reaktionären Hexe Anita Bryant. Letztendlich ist MILK pures Gänsehautkino, das ganz tief berührt, das offenlegt, auch durch eine wunderbare Schlüsselszene, die nicht verraten werden soll und Milks Kampfeslust neue Impulse verleiht, daß Schwulenfeindlichkeit auch heute noch auf der Tagesordnung steht – Minnesota ist überall ...

Gus Van Sant versteht es, die Erkenntnis von der Leistung Harvey Milks ohne jede Plakativität zu vermitteln. Wie gut, daß Milk so vielen gerade auch jungen Schwulen Mut gemacht hat, den werden sie brauchen – das liegt schon wie ein Schleier auf dieser Geschichte. Den Mut werden sie spätestens dann brauchen, wenn ihnen neuer Haß und Ausgrenzung entgegenschlagen, wenn all die Reagans, Bryants und Grahams in ihnen die Sündeböcke des „Schwulenkrebses“ ausmachen ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.