Originaltitel: MIRAI NO MIRAI
J 2018, 98 min
FSK 6
Verleih: AV Visionen
Genre: Anime, Mystery, Poesie
Regie: Mamoru Hosoda
Kinostart: 30.05.19
Peggy Pollow bei einem öffentlichen Auftritt zusehen heißt eine attraktive, gelöste Dame mit toller Stimme erleben, Letztere zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit als Synchronsprecherin. Hier nun bedingt der wandlungsfähige Kehlkopf allerdings gleichzeitig Fluch und Segen, zu überzeugend steigert sich Pollow in die Wutausbrüche des kleinen Kun hinein.
Jener ist genervt, weil seine kürzlich geborene Schwester Mirai (vermeintlich) die komplette Aufmerksamkeit der Eltern für sich beansprucht, was unterbunden gehört, notfalls durch körperliche Gewalt, welche natürlich das genaue Gegenteil bewirkt. Kun rennt verstört nach draußen – und wird in eine Welt katapultiert, deren Magie darin besteht, Grenzen von Raum und Zeit einfach aufzuheben ...
Und es hilt nix, wir müssen noch mal zum Text-Anfang zurückkehren: Wer Kinder hat, mag’s gewohnt sein, allen anderen sägen Kuns ständiges Losheulen, „Menno!“-Brüllen, blinder Aufruhr wohl eher böse am Nervenkostüm – bis man irgendwann flehentlich die Möglichkeit ersehnt, den Buben in eine Babyklappe zu stopfen. Ebenso trägt die flache Charakterzeichnung inklusive verweichlichten, rundum unfähigen Vaters und konträr herrisch kommandierender Mutter wenig zur Entspannung bei, zumal sie darüber hinaus zum selbstvergessenen Pathos neigt, beispielsweise schon ziemlich egozentrisch das Bestreben artikuliert, ihre Kinder so gut aufzuziehen, „wie es einer berufstätigen Mutter wie mir möglich ist.“ Sorry, dies erledigen Frauen seit Jahrhunderten ohne theatralischen verbalen Krönchengriff ...
Beides konsequent ignoriert, glitzert aber trotzdem jede Menge purer Zauber, wenn Kun (teils bereits verstorbene) Verwandte in unterschiedlichen Altersstufen trifft. Dadurch nimmt nicht nur eine herzzerreißende Liebe Gestalt an, es fordert außerdem die Frage heraus, warum Mama, das einstige chaotische Mädchen, solch’ ein Kontrollfreak werden konnte. Geradezu surreal gerät schließlich ein Abstecher ins Land der Einsamkeit, das drückt mächtig auf die Seele, woran auch kaum ändert, daß sich optische Highlights wechselseitig zu überbieten suchen.
Kuns finale Zuneigung zum jetzt Ex-Störenfried Mirai überrascht zwar bloß Kinoneulinge. Wirklich verblüffend dafür, wie vehement sich der weitläufig ausgebreitete Gefühlsteppich letztlich doch gegen die anfänglich schrille Tonspur zu behaupten vermochte ...
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...