Originaltitel: INCOMPRESA

I/F 2014, 106 min
FSK 12
Verleih: REM

Genre: Drama

Darsteller: Giulia Salerno, Charlotte Gainsbourg

Regie: Asia Argento

Kinostart: 22.01.15

3 Bewertungen

Mißverstanden

Aria allein unterwegs

Asia Argento, die als Schauspielerin eigentlich immer mehr Type als echte Könnerin war, hat fast zehn Jahre gebraucht, um nach ihrer umwerfenden, krachig-knallenden, in die Abgründe menschlicher Verkommenheit eintauchenden Filmexplosion THE HEART IS DECEITFUL ABOVE ALL THINGS einen weiteren, nunmehr dritten Film als Regisseurin zu drehen. Vielleicht waren zehn Jahre des Wartens zu lang, vielleicht aber spielt die Zeitspanne gar keine Rolle, Asia Argento hat’s mit dem ungenauen Blick in die verwundete Seele eines 9jährigen Mädchens irgendwie verbockt. Warum? Nun, weil sie aus einer Posterwelt heraus erzählt, weil sie sich um Schattierungen in den Figuren nicht schert, weil sie schnittbogenbrav um den gewissen Schock bemüht ist, der sich genau deswegen kaum einstellt. An den Schauspielern liegt es weniger: Die kleine Aria ist wunderbar mit dem unleugbaren Talent Giulia Salerno besetzt, ihre Mutter, ein dekadentes, egomanisches und sich immer nur irgendwie um die Kinder sorgendes Flittchen, wird von Charlotte Gainsbourg in einer zu Beginn hinreißend an Christa Päffgen ergo Nico erinnernden Performance gegeben. Gut, den Vater, einen narzißtischen Schauspieler, legt Gabriel Garko so an, wie man es am Kleinstadttheater tun würde: als sonnenbebrilltes Goldhaarklischee. Aria steht hintenan, ihre Schwestern sind eindeutig im Vorteil bei den sich dauerzoffenden Eltern, die Kleinste muß sich die Liebe ergaunern und demonstrativ einfordern, wozu das Werfen von Fleischbällchen gehört. Sie verrennt sich in die seltsame Freundschaft zu einem Mädchen aus ihrer Klasse, ihr gemeinsames Ziel ist es, ganz gleich zu sein: die Frisur, die Hüte, das Paffen von Zigaretten, das solidarische Kotzen ins Schulklo. Aria will einfach nur dazugehören, wahrgenommen werden, dafür springt sie über ihren Schatten und himmelt den endeitlen Geck Adriano an, der schon mal sitzenblieb, selber noch nix in der Hose hat, dafür aber mit seinen präpubertären Freunden schon mal wettet, wer von den Mädels wohl die größten Titten hat. Arias Eltern trennen sich, sie wird von beiden abwechselnd vor die Tür gesetzt.

So weit, so traurig, jetzt könnte Asia Argento Gas geben und kompromißlos von einem vernachlässigten Kind erzählen, wie es sich durchboxt, vielleicht strauchelt, oder einfach, wie es vermutlich intendiert war, es beim verzweifelten Kampf um Liebe zeigen. Das aber gelingt Argento nicht, sie läßt das Kind zwar vielversprechend raunen, daß es auf die verächtlichste Art zu weinen weiß, was gut klingt, keine Frage. Aber es tut nix zur Sache, denn MISSVERSTANDEN geriet zu nicht viel mehr als einer recht unmotivierten Aneinanderreihung und Überschneidung von mal mehr, mal weniger krassen Momentaufnahmen aus dem gestörten Alltag eines Kindes. Alles geschieht unvermittelt, so nebenher: Mal landet Aria bei drogenabhängigen Pennern, schaut Nutten beim Blowjob zu und erträgt unangenehm tastende Männerhände, dann zieht sie wieder mit einer schwarzen Katze durchs Revier. Zu vieles wirkt angerissen, nichts scheint zu Ende gedacht, ein kiffendes, saufendes, streunendes Kind, das trotz aller Zerwürfnisse in ihrem Leben die Klassenbeste bleibt? Sicher ...

Argento erzählt grobmotorisch aus einer Poesiealbumwelt, dazu paßt allerdings das Verlagern in die 80er Jahre mit einer Optik, die sich in kaugummifarbener Mode und grobkörnigem Videolook gefällt. Letztendlich kann Asia Argento wohl nicht aus ihrer Haut und repräsentiert das zeitgenössische Kino Italiens so, wie es derzeit leider eben häufig ist: lärmig und unscharf.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.