Originaltitel: MISTAKEN FOR STRANGERS

USA 2013, 75 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Dokumentation

Regie: Tom Berninger

Kinostart: 10.07.14

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Mistaken For Strangers

The National und ihr Bruder Leichtsinn

Spätestens als Tom Berninger in New York bei seinem Bruder Matt Asyl bezieht und in einem Raum mit unzähligen Klebezetteln an der Wand um Eingebung bettelt, möchte man diesen jungen Mann aus dem eigenen Film holen. Doch am Ende hat er es ja hinbekommen, der witzige wie charmante MISTAKEN FOR STRANGERS ist fertig geworden. Welche Erleichterung! Selten genug, daß Tom Berninger mal etwas zu einem guten Ende gebracht hat. Selten genug, daß er seine Kreativität fokussieren konnte.

Wie es so sei ohne Bruder, wurde der Leadsänger der US-Band The National immer wieder gefragt. Matt Berninger hat das stets gewurmt, denn da ist sehr wohl ein Bruder. Neun Jahre jünger als er hockte der allerdings noch immer in Cincinnati, Ohio, bei den Eltern. Dort, von wo aus Matt zeitig weggegangen war. An seiner Seite die Geschwister Bryce und Aaron Dessner sowie Bryan und Scott Devendorf. Zusammen gründeten sie 1999 The National, diese „Band Of Brothers“, wurden größer und größer, spielten zunächst in Winzlingsclubs, die erst Hallen, dann Arenen wurden. Heute sind The National heldisch verehrte Indierocker.

Tom, ungeplanter Nachzügler der Familie, sah das Wachsen mit Distanz. Er stand eher auf Heavy Metal, zeichnete sinistre Comics, drehte trashige Horror-Kurzfilme. Bis Matt anrief und ihn als Helfer für eine lange Welt-Tour engagierte. Tom war entzückt, nahm aber vor allem die Kamera mit, drehte insgesamt 200 Stunden Material und vergaß darüber seinen eigentlichen Job als Roadie und Assistent, trank etwas zu üppig, verbummelte Termine und Absprachen und wurde gefeuert statt gefeiert. Bruder Tom – Bruder Leichtsinn. Und was als Tourfilm über The National geplant war, wurde über Irr- und Umwege zur Doku über das Entstehen einer Doku.

Tom Berninger inszeniert sich selbst in seinem Chaos, und natürlich kann er damit manchmal nerven. Doch die trüben Momente des Fehlschlags (inklusive eines Barack-Obama-Treffs), die Situationskomik einer haltlosen Naivität, tief emotionale Szenen unter Verwandten und das eher blitzlichtartig abgebildete Leben unterwegs machen aus MISTAKEN FOR STRANGERS einen wunderbar leichtfüßigen, flott montierten und mit 75 Minuten göttlich-kurzen Sommerfilm.

Zwischendrin mutmaßt man schon ab und an, die Hälfte davon sei Fake. Doch spätestens, wenn man die Gebrüder Berninger persönlich kennenlernt, glaubt man mehr als diesem Streifen.

[ Andreas Körner ]