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Mit IKEA nach Moskau

Von der zärtlichen Liebe zu einem Einrichtungshaus

Manuela und Ulf sind von einem Pioniergeist beseelt, den wahrscheinlich zuletzt die Siedler im westlichen Amerika in ihrer Brust verspürten. Es gilt Land zu besetzen - Rußland. Und wie damals das Zivilisationsgepäck der Weißen bei den Ureinwohnern Neugier, Mißtrauen und Begehrlichkeiten weckte, geht es auch den Russen, die nun endlich, über zehn Jahre nach Glasnost und Perestroika, die Möglichkeiten entdecken: IKEA-Möbel.

Das deutsche Paar kennt die Möglichkeiten schon und hat dem Imbusschlüssel- und Nadelholzkonzern sein ganzes Glück zu verdanken. Als Mitarbeiter der Berlin-Spandauer Filiale haben sie sich kennen und lieben gelernt und sich mit ihren Ex-Partnern wegen der Kinder arrangiert. So geschult im privaten Abenteuer wird man auch die neue Herausforderung bewältigen: die Eröffnung der ersten russischen IKEA-Zentrale in Moskau.

Michael Chauvistré hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und die Eroberung einer neuen Welt mit der Kamera begleitet. Herausgekommen ist ein überwältigend intelligenter Dokumentarfilm, dessen feine Beobachtungen ohne erklärende Kommentare auskommen, der gerade deshalb um so wahrhaftiger ist und nebenbei auch noch witzig und amüsant. Ein kleines Zusammentreffen von Kollegen im heimischen Wohnzimmer wird zum nostalgischen Happening. Es schluchzt die Gitarre in den drei bis vier geläufigsten Akkorden und das IKEA-Lied erklingt - kein eingesprochener Text könnte mehr über Firmenphilosophie und unerschütterlichen Glauben an den Heilscharakter der Produkte des blau-gelben Möbelgiganten aussagen.

Man sieht Manuelas 14-jährigen Sohn Robert beim Russisch-Unterricht, sieht ihn am Eröffnungstag in Firmenkleidung und ohne rechten Mut Werbeplakate verteilen und weiß: Er ist nicht gern in Moskau. Lächelnd und fragend zugleich stellt Chauvistré auch einige der russischen Kunden vor, zeigt das alte Mütterchen, das hofft, ein Sofa zu gewinnen, ein junges Paar vor der übergroßen, eben erworbenen Ballon-Lampe, die das Zimmer fast ausfüllt und dem russischen Alt-Mobiliar zornig die runde Stirn bietet. Manchmal erfindet die Wirklichkeit ihre Metaphern selbst.

D 2001, 94 min
Verleih: Piffl

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Michael Chauvistré
Drehbuch: Michael Chauvistré
Kamera: Michael Chauvistré

Kinostart: 06.09.01

[ Sylvia Görke ]