D 2012, 82 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Dokumentation, Musik

Regie: Viviane Blumenschein

Kinostart: 13.03.14

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Mittsommernachtstango

Culture Clash im Tangotakt

Aki Kaurismäki, der Grandseigneur des finnischen Films, hat angeblich vor einiger Zeit behauptet, der Tango stamme nicht aus Argentinien, sondern aus Finnland. Dort sei er um 1850 entstanden, weil finnische Hirten Tango-Lieder gesungen hätten, als sie die Einsamkeit quälte. Seeleute nahmen die Musik schließlich mit über den Atlantik, und nach ein paar Jahren hatte sich der Tango über Uruguay bis nach Argentinien verbreitet. Heute glaubt alle Welt, der Tango sei in Buenos Aires zu Hause. Was für ein Irrtum, vertraut man Kaurismäki.

„Finnischer Tango? Das soll wohl ein Witz sein?!“, empört sich hingegen Diego Kvitko, ein junger Tango-Gitarrist aus Buenos Aires, als ihm die Geschichte zu Ohren kommt. Auch seine Bandkollegen, der leicht divenhafte Tangosänger Chino Laborde und Pablo Greco, Bandoneonspieler und gute Seele des Trios, nehmen die nordische Konkurrenz nicht ganz ernst, können es dann aber doch nicht lassen, sich in Finnland mal genauer umzusehen und umzuhören. Es beginnt eine musikalische Odyssee durch das Land der Saunen, Elche und Wälder, in deren Verlauf sie alle, die in Finnlands Tangoszene Rang und Namen haben, mehr oder weniger zufällig treffen.

Regisseurin Viviane Blumenschein kreuzt zu diesem Zwecke das dokumentarische Sub-Genre der Musik-Doku mit dem des Roadmovies. Herausgekommen ist ein Film mit schöner Tangomusik und ein paar lustigen Momenten, der aber leider nicht verleugnen kann, daß hier eine Annäherung qua Drehbuch stattfindet. Die drei Argentinier treffen in Finnland an jeder Waldecke neue, unübertroffen trocken-humorige finnische Musiker wie M.A. Numminen und Reijo Taipale, mit denen sie sich dann durch Unterhaltungen radebrechen, denen man deutlich anmerkt, daß das offizielle Thema, nämlich die Frage „Wem gebührt die Ehre, den Tango erfunden zu haben?“, eigentlich niemanden wirklich umtreibt. Spannender als die Provenienzforschung sind da noch die großen und kleinen Culture Clashs zwischen Südländlern und Nordlichtern, die aber aufgrund der hektischen Reisetätigkeit meist auf die Oberfläche beschränkt bleiben.

Hätte man sich ab und zu wirklich einmal getraut, den Dingen ihren Lauf zu lassen und der dokumentarischen Tugend der Beobachtung gefrönt, wäre vielleicht ein Film daraus geworden, in dem kulturelle Vorurteile nicht nur zementiert, sondern auch thematisiert werden. So kommt MITTSOMMERNACHTSTANGO nicht über den Status der Special Interest Doku hinaus.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.