Originaltitel: ALCESTE À BICYCLETTE
F 2013, 104 min
FSK 0
Verleih: Alamode
Genre: Komödie
Darsteller: Fabrice Luchini, Lambert Wilson, Maya Sansa, Laurie Bordesoules
Stab:
Regie: Philippe Le Guay
Drehbuch: Philippe Le Guay
Kinostart: 03.04.14
… und frage sich, sehr frei nach Goethe, wie es wohl jemals gelänge, boulevardeske Eleganz, ambivalente Komik und wohlgeformte Verse eines Molière ins Heute zu übertragen, ohne ihnen mit muffigen Perücken oder einer verbogenen zeitkritischen Aktualisierungsbrechstange Beine, geschweige denn Räder zu machen. In Literatur und Theater gab es gelegentlich und zuweilen überzeugende Versuche. Die Filmemacher zeigten sich indes zurückhaltend – bis sich nun Philippe Le Guay ins Abenteuer Klassikeradaption stürzte, und zwar nicht behutsam, sondern wunderbar frech.
Le Guays „Menschenfeind“ heißt Serge Tanneur und gehörte früher einmal zur Crème de la crème des französischen Bühnen- und Filmgeschäfts. Enttäuscht von den ach so kultivierten Heuchlern seiner Branche, gab er die Schauspielerei auf – für ein mediokres Leben als Privatier und Freizeitradler auf der Île de Ré, wo er der Pariser Schickeria durch schiere Abwesenheit den Stinkefinger zeigt. Als aber der umschwärmte Serienstar Gauthier Valence, ein Bühnenkollege aus alten Tagen, mit dem Projekt einer Molière-Inszenierung bei ihm vorspricht, ist es vorbei mit der Inselruhe. Denn Tanneurs gekränkte Schauspielerseele ziert sich und will durch nichts als die reine Kunst zurückerobert werden. Also läßt sich Valence wohl oder übel auf die geforderten Textproben mit verteilten Rollen ein – und gerät unversehens in ein Duell mit scharfen Versen, aus dem niemand ohne Blessuren hervorgehen kann.
Nach dem Modell des „Theater im Theater“ geraten hier Text-, Bühnen- und Filmwirklichkeit so lustvoll wie einfallsreich aneinander, treffen geschraubte Deklamation auf Alltagssprache, Hochkultur auf Kleingeistigkeit, Schmiere auf Comédie-Française. Und das mit einem Spielwitz und einer solch diebischen Freude am Molièrschen Moraldiskurs um die Eitelkeit des Aufrechten, daß sich das sichtliche Vergnügen der beiden blendend aufgelegten Hauptdarsteller auch auf den Zuschauer überträgt.
Le Guay führt vor, was möglich ist, wenn man einen Klassiker vom Sockel auf ein Fahrrad setzt: Die Mobilmachung für ein Konversationsstück, das sogar zu einem theaterverdrossenen Publikum zu sprechen vermag – zur Not mit Slapstick, aber nie in Ehrfurcht vor der Größe des Stoffes erstarrt. Daß er sich dabei, natürlich in aller gebotenen Ironie, auch vor dem Schauspielerberuf verbeugt, hätte Molière ganz sicher amüsiert.
[ Sylvia Görke ]