Der Obersalzberg 1942, in Europa wütet der Krieg. Doch hier auf der Festung herrscht friedliche Ruhe. Eva Braun wartet auf ihren Adi. Bald trifft Hitler mit seinen Gästen ein. Martin
Bormann ist mit Joseph und Magda Göbbels angereist, um mit dem Führer zu plaudern, um seine Gunst zu buhlen und die einsame Gegend zu genießen.
Der russische Regisseur Aleksandr Sokurov begleitet diese gespenstische Gesellschaft 24 Stunden lang, belauscht ihre Gespräche, folgt ihnen bei einem Ausflug und beobachtet sie beim Essen. Doch er zeigt uns nicht den brüllenden Hitler, das wütende Rumpelstilzchen der großen Aufmärsche, sondern einen neurotischen, hypochondrischen Jedermann. Der mächtige Martin Bormann hat den Habitus eines behäbigen Beamten, und auch Göbbels ist nicht der charismatische Propaganda-Minister und wählerische Filmfreund. Mickrig und verwachsener als jede seiner Karikaturen muß er sich ständig über den Mund fahren lassen.
Sokurov inszeniert nur triste Banalität. Doch was diese Figuren an Aura verlieren, billigt er Eva Braun in einem Rest zu. Von ihr geht der einzige Widerspruch zur Geisterrunde aus. Sie allein verfügt über Vitalität, die bis ins Groteske verzerrt wird. Sie stellt sich zur Schau, turnt vor dem Spiegel und vollführt unvermittelt gymnastische Verrenkungen.
Drehbuchautor Yuri Arabov gestaltete die Dialoge nach authentischen, protokollierten Tischgesprächen. Belangloses Geschwätz wechselt mit markigen Sentenzen. Und all das ist umgeben von einer hoch stilisierten Kulisse, die in Kargheit und Farbigkeit an Filme aus den 20er und 30er Jahren erinnert. Die so entstehende künstliche, fast unwirkliche Atmosphäre läßt das Gesprochene zu Geflüster verkümmern. Sokurov beläßt es bei diesem Stimmungsbild. Was es vermittelt ist nicht neu, aber irritierend.
Originaltitel: 1999
D/Rußland 102 min
Verleih: Pegasos
Genre: Drama
Darsteller: Elena Rufanova, Leonid Mosgovoi, Leonid Sokol
Stab:
Regie: Aleksander Sokurov
Drehbuch: Yuri Arabov
Kinostart: 31.08.00
[ Sylvia Görke ]