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Momo (2001)

Zeichengetrick(s)ter Zeitaufguß

Kaum vorstellbar, daß jemand die Geschichte und ihren Autor nicht kennt. Michael Ende erzählt in seinem gleichnamigen Roman von dem kleinen, rätselhaften Mädchen Momo, welches gegen die Grauen Herren antritt, da diese den Menschen die Zeit stehlen.

Momo, die unterstützt und begleitet von der weisen Schildkröte Kassiopeia den Weg in das Reich des Hüters der Zeit, Meister Hora, findet und dort auf die ihr bevorstehende Aufgabe vorbereitet wird, ist eine einzigartige Heldin und längst ein populärer weiblicher Charakter der Kinderliteratur. Bereits 1985 wurde eine filmische Umsetzung des Erfolgsromans versucht. Regisseur Johannes Schaaf gelang es darin, die Charaktere glaubhaft umzusetzen, und es entstand ein atmosphärisch dichter Kinderfilm. Nun hat Enzo D’Alò Momo, ihren Gefährten und Gegnern erneut Gestalt verliehen. D’Alò, der seit DER BLAUE PFEIL und WIE KATER ZORBAS DER KLEINEN MÖWE DAS FLIEGEN BEIBRACHTE als Vater der Wiedergeburt des italienischen Zeichentrickfilms gilt, arbeitete zunächst als Autor und Regisseur von TV-Serien und Dokumentarfilmen. Seine Arbeiten im Bereich Animation wurden für nostalgische Einfachheit, elegante Stilisierung und warme Farbigkeit gelobt. Bei D’Alòs jüngstem Werk nun ist vor allem sein Bemühen um die Modernisierung eines Themas, welches ohnehin nie aktueller war, augenscheinlich geworden.

Seine neue Interpretation von MOMO hat deshalb viel von Überzeichnung. So wird die Gefahr, die von den Grauen Herren ausgeht, letztendlich auf ihr Erscheinungsbild reduziert, und es ist der Kampf der Farben gegen das Grau, der besonders heraus gearbeitet wird. Die Stilisierung der Figuren verhilft zu einer Identifikation, die sich zwar einfach ausnimmt, einzelne Charaktere dadurch aber schwächt. Novitäten, wie die Einarbeitung grotesker Spielzeuge, kommen derart pädagogisch daher, daß sie störend lapidar werden.

Gerade bei der Umsetzung eines Themas, wie es Michael Ende intendierte, scheint es absurd, daß eine solche den Zeichen der Zeit folgen soll. Auf diese Weise stellt sich nur die Frage, ob keine Zeit mehr ist, Zeichen zu entziffern. D’Alò hat mit MOMO am Ende einen Aufguß geschaffen, der, im Grunde dünn und schal, in der Beliebigkeit massenhafter Trickproduktionen kaum Aufmerksamkeit erfahren wird.

D/I 2001, 75 min
Verleih: MFA

Genre: Zeichentrick, Literaturverfilmung, Kinderfilm

Regie: Enzo D’Alò

Kinostart: 03.01.02

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.