Originaltitel: MONDOVINO

USA/F 2004, 138 min
Verleih: Concorde

Genre: Dokumentation

Regie: Jonathan Nossiter

Kinostart: 28.04.05

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Mondovino

In vino veritas?

Michel Rolland bezeichnet sich gern als Flying Winemaker, als Arzt des Weines und Psychiater der Winzer. Er behandelt allein in der Gegend um Bordeaux mehr als 400 Patienten und ist als bestbezahlter Consultant in zwölf Ländern unterwegs. Michel Rolland ist einflußreich und hoch dotiert, eine Erobererfigur der Branche, ein Mann, der dem globalen Markt offenbar gibt, was dieser braucht, mit ungebremster Vitalität, munterem Gelächter und der Zauberformel "Mikro-Oxydierung".

Rollands direkter Gegner ist der Winzer Aimé Guibert aus dem Languedoc, einer Region, die dem Versuch des US-Wein-Imperiums Mondavi widerstanden hat, sich mit einem Großprojekt dort einzukaufen. Wein ist für den Regionalisten Guibert eine fast religiös zu nennende Beziehung zwischen Mensch und Natur, eine Art spiritueller Kontakt. "Um großen Wein zu machen, braucht es einen Poeten.", sagt er.

Rolland und Guibert sind zwei der fast vierzig Protagonisten in Jonathan Nossiters aufwendiger Dokumentation über die Welt des Weines, die den Regisseur u.a. ins kalifornische Napa Valley, in die Toskana und nach Südamerika führte. Nossiter interviewte Winzer und Önologen, Firmengründer und Geschäftsführer, Weinimporteure, Auktionatoren und Aristokraten, Manager und Weinkritiker. Er zeigt die Vielfalt der Weinwelt in Kongruenz zur Vielfalt der Menschen, die diesen produzieren, vermarkten und konsumieren, sowie die Gefährdung der Individualität hier wie dort.

Dabei spürt er wahre Philosophen auf und Fortschrittsgläubige, welche die Segnungen der Moderne noch immer als Möglichkeit zur Demokratisierung der Gesellschaft preisen. Nossiter entdeckt den Geschmack als Markenschöpfung, Wein als veritable Marktmacht, er thematisiert den "global taste" und die Folgen einer Weinbenotung durch mächtige Weinkritiker. MONDOVINO ist ein spannender und unterhaltsamer Beitrag zum Thema Globalisierung und Geschmacksverlust, zum Werden des Rebensaftes zwischen Terroir und Mikro-Oxydierung. Die zuweilen wackeligen Bilder der Handkamera mögen irritieren, transportieren jedoch eine Ahnung vom eben auch nervös-hektischen Getriebe im Weinuniversum. Schön wäre ein Glas Wein als Befreiungsschlag von den angeregten Überlegungen - nach dem Motto: Der Wein ist tot! Es lebe der Wein! Im Abgang aber bleibt die Frage: In vino veritas?

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.