Originaltitel: MONOS
Kolumbien/Argentinien/NL/D/S/Uruguay/USA/CH/DK/F 2019, 102 min
FSK 16
Verleih: DCM
Genre: Drama, Psycho
Darsteller: Sofia Buenaventura, Julián Giraldo, Karen Quintero, Laura Castrillón, Deiby Rueda, Sneider Castro, Moises Arias, Julianne Nicholson
Regie: Alejandro Landes
Kinostart: 09.07.20
Gerade südamerikanisches Kino entwickelt für europäische Zuschauer einen besonderen Reiz, entfernt es sich auf radikale Weise von Sehgewohnheiten. Das meint keinesfalls übertriebene Folklorismen, sondern handwerkliche Elemente im Akustischen und Visuellen, aber auch die Erzählstruktur. Da ploppen immer wieder beste Beispiele auf. MONOS des kolumbianisch-ecuadorianischen Regisseurs Alejandro Landes ist als „Fiebertraum“ ein Gesamtkunstwerk, über das sich zu sprechen lohnt. Zu schwärmen auch.
Echtnamen klingen anders. Sie heißen Rambo und Schlumpf, Bigfoot, Perro und Boom Boom, Lobo und Lady. Jugendliche sind es, die auf einem betörend schönen Bergplateau fiesen paramilitärischen Drill über sich ergehen lassen. Der Ausbilder wird nur „Der Bote“ genannt, die Truppe ist „Die Organisation“, und Shakira ist die Kuh. Sie soll den Kämpfern Milch geben. Ein besonderes Tier, das zu behüten ist. Lobo, der kurz zuvor berufene Chef, übernimmt. Es überrascht wenig, daß die Ereignisse schon mit dem frühen Tod von Shakira aus dem Ruder laufen, falls es je einen Kurs gegeben hat. Denn da ist auch noch eine US-amerikanische Frau als Geisel dieser jungen Guerillas.
Mit der Natur als Hauptdarsteller – von den Bergen geht es runter in den Dschungel und von dort in reißendes Wasser – geraten die Monos, die „Alleingestellten“, fortan in Extremsituationen, wo es noch wie ein beherrschbares Abenteuer begonnen hatte. Mit nachhaltigem Druck, kantigen Angstzuständen und reflexgesteuerten Gewaltreaktionen. Wo die Jungs und Mädchen im Grunde nur als geschlossene Gruppe eine Chance hätten, ominös übermittelte Aufträge auszuführen, beginnt eine schleichende Zersetzung, denn am Ende sind sie auch nur Menschen. Zu früh verbogen. Zu drastisch auf falsche Fährten gebracht.
MONOS ist im Hintergrund eher diffus, in der individuellen Figurenzeichnung vage, ebenso in der Zeit. All das ist Konzept und funktioniert, läßt sich lesen als Allegorie auf den gerade nur mühsam heruntergedimmten Bürgerkrieg in Kolumbien. Als Anklageschrift fürs Jüngste Gericht. Oder natürlich als freie Adaption des „Herr der Fliegen“-Stoffs, den der Regisseur so trefflich als „Tätowierung im Unterbewußtsein“ beschreibt. MONOS ist spürbar an physischen und psychischen Grenzen aller Beteiligten, Laien wie Profis, entstanden. Es ist Kraft-Kino, das im Magen liegen soll.
[ Andreas Körner ]