Originaltitel: MONSIEUR AZNAVOUR

F 2024, 133 min
Verleih: Weltkino

Genre: Biographie, Musik, Drama

Darsteller: Tahar Rahim, Marie-Julie Baup, Bastien Bouillon

Regie: Mehdi Idir, Grand Corps Malade

Kinostart: 22.05.25

Monsieur Aznavour

Vielschreiber und Alleskönner

Ich behaupte einfach mal: Jeder, der einen halbwegs guten Musikgeschmack hat, sollte wenigstens ein Album von Charles Aznavour im Plattenschrank stehen haben. Is’ so! Nun, von diesem unvergleichbaren Künstler, der für mich durchaus der Ur-Vater des Crooning ist, habe ich etliche Platten, was mich vielleicht nicht zwingend zu einem Mann von erlesener Musikkenntnis macht, aber doch zu einem glücklicheren Menschen. Wer’s nicht glaubt: Platte besorgen, auflegen, ins Leben, Leiden, Lieben, Hoffen, Bangen und Sehnen fliegen.

Wenn man von Aznavours Liedern spricht – wo fängt man da überhaupt an? Irgendwas zwischen 1000 und 2000 Chansons stammen aus seiner Feder, wer weiß es schon genau? Geschrieben auch für andere – für die Piaf, Disco-Dalida, Gilbert „Monsieur 100.000 Volt“ Bécaud, die Existenzialistenmuse Juliette Greco ... und eben vor allem für sich. Da wären das zu Tränen rührende und geradezu nackte „Comme ils disent“, das knieerweichende Lamento über die Flüchtigkeit der Jugend „Hier encore“, der melancholische Montmartre-Abschied „La Bohème“, das tief verbeugende „La Mamma“, die schmerzlich vom Süden träumende Nordhafenhymne „Emmenez-moi“, das so wunderbar kapitulierende „Mourir d’aimer“, das sehnsuchtsvolle Erwecken in „Non, je n’ai rien oublié“ oder das verzweifelte Seufzen von der Schwierigkeit der Würde „Il faut savoir“ ...

Ja, ich verliere mich – aus Respekt und in Begeisterung für dieses aus ärmsten Verhältnissen stammende Armenier-Kind, knapp 1,60 Meter groß, dabei ein echter Steher, der in seinem 95. Lebensjahr noch große Arenen füllte, der ein Leben lebte, das gut für mehrere Leben reicht. Und da ist noch kein Wort geschrieben über den Filmstar Aznavour, der er eben auch war. Ein

Alleskönner. Es durfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis es einen Kinofilm über ihn gäbe, hier ist er nun. Und was für einer! Sicher, durchaus gradlinig erzählt, aber eben kein geglätteter Hymnus auf einen Makellosen. Denn das war Aznavour mit unehelichen Kindern, schweren Verlusten und dem Hang zur Schürzenjägerei gewiß nicht.

Der Film taucht tief ein in jene Dekaden, als man noch wirklich etwas können mußte, um mit Musik Erfolg zu haben. In elegant verschmelzenden Szenen zeichnet er Aznavour als einen, dem die Liedtexte nur so zuflogen, der bei allem gesunden Ego dennoch von Selbstzweifeln geplagt wurde und der erst zu seiner flehenden Stimme finden mußte. MONSIEUR AZNAVOUR erzählt in nach Liedtiteln benannten Kapiteln, was gut entschieden ist, da Aznavour bewußt oft von sich als Person sang, um dort zu treffen, wohin man mit guten Chansons eben zielt: ins Herz!

Ersten Auftritten in Strip-Bars folgen Vorprogramme beim Spatz von Paris, vom anfänglichen Duo mit seinem besten Freund bleibt am Ende nur einer übrig. Dabei erfährt Aznavour feindseligen Gegenwind, waschechten Rassismus, er kämpft gegen halbleere Säle, doch mit seiner schlagfertigen und durchaus frechen Art überzeugt er Zweifler und reift zum wohl größten Chanteur Frankreichs.

Man muß bei diesem Film aber auch zwingend über Tahar Rahim reden. Rahim ist an sich ein viel zu gutaussehender Mann, um Aznavour zu spielen. Doch er verkneift sich jede Eitelkeit, er spielt Aznavour nicht einfach durch verschiedene Lebensphasen, er wird tatsächlich zu diesem stolzen, mit sich und allen so strengen und trotzdem großzügigen Giganten der frankophonen Musik. Chapeau!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.