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Montag Morgen

Fluchtversuch: Sisyphos macht blau

Gleich drei Wecker klirren Vincent aus dem Bett, in die Hausschuhe, zum Auto, zum Zug und schließlich in die Chemie-Fabrik mit Rohren, Stahlträgern und immer den gleichen zischenden Geräuschen. Die monotone Metropolis-Maschinerie ist also auch durch Otar Iosselianis Träume gegeistert. Doch im Gegensatz zu Fritz Lang ist er wohl vom Grinsen aufgewacht, denn in seinem Traumszenario wird schon mal eine Kloschüssel spazieren gefahren. Vincent wundert sich darüber nicht. Er kennt sich gut aus in der verschwiegenen visuellen Welt seines Regisseurs, der einem funkelnden Bildwitz die Logik mit Vergnügen opfert. Die Figuren sind ebenso genußsüchtig: immer, überall, gegen jede Vernunft und jedes Verbotsschild rauchen sie trotzig oder beiläufig Zigaretten.

Eine bodenständige Ehefrau und zwei begabte Söhne bekam Vincent zur Seite, ein klappriges Haus oben drüber, ländliches Frankreich drumherum. Er kehrt von der Arbeit zurück, zu Pantoffeln, Bett und Weckern. Gerade als es vom Acker her nach Sozialstudie riecht, taucht ein Drache auf. Manche würden das Vieh Krokodil nennen, würden den dünnen Mann, der auf dem Friedhof Schlangen sammelt, völlig durchschnittlich finden. Aber Iosseliani hat überall phantastische Fehler eingebaut.

Der seltsam sprunghafte Wirklichkeitssinn des gebürtigen Georgiers treibt den Helden sachte an. Er läßt Vincent ohne weitere Vorwarnung ausbrechen - ganz still, ganz heimlich - und führt ihn nach Venedig, wo seine Reisebekanntschaft Carlo mit anderen Weckern einen anderen Montag beginnt. Dazwischen ein Besuch beim alten, kranken Vater, viel Wodka, viel Vertrödeln und Verbummeln. Doch gerade, wenn man nach Erklärungen bohrt, singt ein georgischer Männerverein. An irgendeinem der Kanäle empfängt schließlich Iosseliani selbst den Ausreißer. Als Freund des Vaters gibt er sich aus, als großer Pianist, dem ein verstecktes Tonbandgerät Ovationen spendet. Der Regisseur wird den Applaus nicht hören, doch er steht ihm zu: für eine gewitzte und gewundene Intrige gegen den mürbe machenden Alltag.

Originaltitel: LUNDI MATIN

F/I 2001, 120 min
Verleih: Kairos

Genre: Komödie, Poesie

Darsteller: Jacques Bidou, Anne Kravz-Tarnavsky, Narda Blanchet, Otar Iosseliani

Stab:
Regie: Otar Iosseliani
Drehbuch: Otar Iosseliani

Kinostart: 06.02.03

[ Sylvia Görke ]