CH/D/Österrreich 2021, 118 min
Verleih: DCM
Genre: Drama
Darsteller: Maresi Riegner, Julia Jentsch, Hannah Herzsprung, Max Hubacher, Joel Basman
Regie: Stefan Jäger
Kinostart: 16.12.21
Er könne es nicht leugnen, sagt Regisseur Stefan Jäger, leider sei er ein Mann. Mit 77% Frauenanteil beim Dreh aber sollte es dem Schweizer „vielleicht gelingen, den positiven Wandel, der den Globus momentan erfaßt, zu unterstreichen.“ Ehrenwert gesagt, demgemäß besetzt!
Über den legendären MONTE VERITÀ oberhalb von Ascona zu erzählen, diesen um 1900 etablierten Sehnsuchtsort der gelebten Alternative, eine der Wiegen von Kommunen und Kooperativen für freie Geister, freie Kunst und fleischfreie Teller, sollte über weibliche Protagonisten laufen. Sehr bedeutend gehörte die Musiklehrerin Ida Hofmann zu den Gründerpersönlichkeiten. Oder Lotte Hattemer, die sich indes zeitig wieder zurückzog. Männer braucht es nicht so sehr, von Hermann Hesse bis Konrad Adenauer sind sie als Namen in den ewigen Gästelisten der Historie oder als Randfiguren einer Spielfilmhandlung bestens aufgehoben.
Aus MONTE VERITÀ wird denn auch die (Selbst-)Befreiungsgeschichte einer fiktiven Frau, keine faktisch präzise Rückschau auf einen ikonenhaften Berg. Selbst die großen Ideen werden defensiver verhandelt als erwartet. Alles wird dominiert vom Leben Hanna Leitners, einer nicht einmal 30jährigen Ehefrau und zweifachen Mutter aus Wien, die mit Asthma und traumatisiertem Kern in die Schweiz flüchtet, weil sich dort mit Otto Gross ein ihr schon bekannter Psychiater aufhält. Zudem ist’s ein schöner Mann. Hannas Ehepartner, ein Fotograf, ringt seiner Gattin das „Beiwohnen“ nur noch zum Zwecke des Zeugens eines Stammhalters ab. Nicht ohne Gewalt.
Die steife „Ètiquette formelle“ nützt Hanna nicht viel, als sie, unwissend und weltfremd, 320 Meter über dem Meeresspiegel eintrifft. Maßlos entsetzt von den Behandlungsmethoden, will sie sofort wieder abreisen. Man wird sie bitten, dem Berg ein wenig Zeit zu schenken, die sie ihm auch gibt. Hanna wird selbst Fotografin, ihre Menschen aber bewegen sich auf den Bildern, atmen, tanzen. Das geht nur, weil sie dort oben über dem Lago Maggiore ein Gefühl entdeckt, das sie knappe Zeit ängstigt, bald aber durchströmt: Freiheit. MONTE VERITÀ bringt nicht das schillernde Tableau einer Zeit und nicht das einer Zeitlosigkeit. Der Film baut auf visualisierte Stimmungen. Manchmal gleitet die Langsamkeit etwas arg in Trägheit ab, was die Sehfreude speziell am Schauspiel allerdings nicht entscheidend zu schmälern vermag.
[ Andreas Körner ]