Originaltitel: MOONRISE KINGDOM

USA 2012, 97 min
FSK 12
Verleih: Tobis

Genre: Tragikomödie, Erwachsenwerden, Schräg

Darsteller: Bruce Willis, Edward Norton, Bill Murray, Tilda Swinton, Frances McDormand, Harvey Keitel

Regie: Wes Anderson

Kinostart: 24.05.12

47 Bewertungen

Moonrise Kingdom

Stargespickte Nostalgie mit Widerhaken

Ja, 1965 schien alles in bester Ordnung zu sein: Die Ziegel waren röter, die Kleider pastelliger, man bewohnte niedliche Puppenhäuschen, lauschte beim Kirchengang einem Sintflut-Singspiel und rauchte völlig ungeniert. Ein Idyll. Doch wäre dies kein Werk von Wes Anderson, zeigten sich hinter der heilen Fassade nicht vielerlei Risse.

Selbige verlaufen quer durch die Leben zweier Kinder: Der 12jährige Sam und die gleichaltrige Suzy vereint der Status als freundlose Außenseiter. Sam wünscht sich nach dem Tod seiner Eltern eine Familie, Suzy wäre angesichts ihrer Sippschaft lieber Waise. Ganz logisch folgt da eine Annäherung und mündet in gemeinsamer Flucht. Bloß weg, zusammen gegen den Rest der Welt ...

Woraus andere Regisseure nun einen kompletten Film stricken würden. Anderson indes dient es nur als Prolog für ein weitaus größeres, komplexeres Gedicht über die Nöte Heranwachsender, allerdings ohne jeden Schwung des unnötigen Drama-Hammers. Nein, die beiden Ausreißer schweben zwischen beschrifteten Schildkröten, Problemen bei der musikalischen Darstellung eines Wiesels oder seltsamem Ohrschmuck durch ein Füllhorn an irrwitzigen Ideen und wirklich rührenden Intermezzi. Herrlich schon allein der Tanz am Strand inklusive anschließendem Kuß, welchem wiederum eine höchst unerwartete Reaktion folgt, während Alexandre Desplat erneut nachdrücklich beweist, wieso er als der sicherlich aufregendste Komponist von Filmmusiken gilt. Dennoch wäre es ein gewaltiger Fehler, den erwähnten Verzicht auf bleierne Schwere als Trallala-Lockerheit zu interpretieren. Weil Anderson hier erwartungsgemäß in knallbunter Geschenkverpackung, die erst beim Öffnen ihren wahren Inhalt freigibt, Sperrigkeiten und zwischenmenschliche Probleme, die uns alle irgendwann bewegenden Ängste und Unsicherheiten präsentiert. Was unter weniger intelligenter Führung zur Hochglanz-Lustigkeit verkäme, schreibt facettenreiche Subtexte auf zerknittertes, eselsohriges Papier.

Wenn also das letzte Lachen aus dem Zwerchfell strömte, setzt nachdenkliche Melancholie ein. Und vielleicht liegt ja genau darin (und zwar sogar im wortwörtlichen Sinn) der Hund begraben, wieso Andersons neue Gedankenodyssee noch stärker als seine bisherigen Arbeiten kaum auf realer Ebene faßbar wirkt, sondern vielmehr mit allen Sinnen erlebt werden möchte. Meisterhafte Kinokunst, ohne Abstriche.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...