In Finnland tanzt man nicht nur Tango! Mika Kaurismäki zum Beispiel besaß einst eine Vinylscheibe von Deep Purple und wird zu diesen Klängen vielleicht auch einmal Arme, Beine und die Rocker-Matte geschüttelt haben. An den Titel des Albums erinnert er sich nicht mehr ("Child in Time war auf der Platte" ?!), ist auch egal, denn er hat es eingetauscht - gegen brasilianische Musik. Mit diesem Geschäft begann eine intensive Liebesbeziehung, die schon vor Jahren ihre Erfüllung hätte finden sollen: Kaurismäki wollte nach Brasilien. Das Reiseprojekt des Jugendlichen scheiterte, doch der erwachsene Regisseur hat es geschafft, am Amazonas Filme gedreht und kann mittlerweile sagen: Ich lebe in Brasilien.
In Brasilien gibt es nicht nur Samba! Mika Kaurismäki hat sich erneut auf große Fahrt begeben, quer durch die musikalischen Traditionen dieses Landes, hinab in die Gründungs- und Herkunftsmythen der Stile, Tänze und Gesänge. Herausgekommen ist ein kenntnisreicher, quicklebendiger und überaus interessanter Musik-Dokumentarfilm, der dem BUENA VISTA SOCIAL CLUB erhobenen Hauptes, vielleicht sogar erhobener Nase gegenübertreten kann. Hier gibt es Kanten, die europäische Ohren um einiges mehr herausfordern: Rhythmen und Klänge der brasilianischen Ureinwohner, vermischt mit portugiesischen Einflüssen ebenso wie mit afrikanischen, wundersame Instrumente, regionale Traditionen, Kultisches und Religiöses. Mit Hörbeispielen wird nicht gegeizt, doch noch eindrucksvoller ist, daß die Musiker allesamt ihre eigene Wissenschaft betreiben, ja, ihre eigenen Philosophien entwickeln. Sie sind nicht Exponate eines exotisch-musikalischen Streichelzoos, sondern Fachleute, Liebhaber, Besessene, die den finnischen Besucher an ihrem reichen Wissen teilhaben lassen. Und Kaurismäki bedankt sich: Einige seiner Aufnahmen ließen sich ohne Weiteres als Musikvideo vermarkten.
Originaltitel: MORO NO BRASIL
D/Brasilien/Finnland 2002, 105 min
Verleih: Movienet
Genre: Dokumentation, Musik
Stab:
Regie: Mika Kaurismäki
Drehbuch: Mika Kaurismäki, George Moura
Kinostart: 21.02.02
[ Sylvia Görke ]