Originaltitel: MR. HOLMES

GB 2015, 105 min
FSK 0
Verleih: Alamode

Genre: Literaturverfilmung, Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Ian McKellen, Laura Linney, Milo Parker

Regie: Bill Condon

Kinostart: 24.12.15

4 Bewertungen

Mr. Holmes

… kämpft gegen die Tücken des Alters

Sherlock Holmes ist wohl die am häufigsten für die Leinwand adaptierte Romanfigur der Welt. Es gibt über 200 Verfilmungen, in denen mehr als 80 Schauspieler den kühlen Meisterdetektiv verkörperten. Dabei ist die anhaltende Faszination erstaunlich, die von dieser Figur seit über 100 Jahren ausgeht. Das visuelle Image von Holmes prägten lange Zeit die Verfilmungen mit Basil Rathbone aus den 40er Jahren. Derzeit feiert die BBC-Serie SHERLOCK große Erfolge, die Holmes in unsere Gegenwart transportiert und ihn als jung, smart und sexy inszeniert.

Der Film MR. HOLMES des Regisseurs Bill Condon fügt dem altbekannten Stoff eine neue Facette hinzu und bricht mit dem gewohnten Bild. Holmes-Puristen dürfte sein Film ein Greuel sein, zeigt er doch die schärfste Spürnase Ihrer Majestät als tütteligen Alten, der zunehmend sein eigenes Leben vergißt. Nicht einmal die berühmten Requisiten – Pfeife und Deerstalker-Mütze – werden mehr bemüht. Stattdessen trägt Holmes Zylinder und raucht Zigarren. Der Film spinnt den Faden dort weiter, wo die Geschichten Arthur Conan Doyles enden.

MR. HOLMES setzt kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein. Der alte Detektiv kommt gerade von einer Reise aus Japan zurück, wo er sich mit speziellem Pfeffer versorgt hat, der sein Gedächtnis stärken soll. Holmes versucht verzweifelt, sich an seinen letzten Fall zu erinnern, der vor 30 Jahren dazu führte, daß er die Detektivarbeit aufgab und sich auf seinen Landsitz in Sussex zurückzog. An diesem perfekten Ort, wo das Gras grüner ist und die Blumen bunter sind als anderswo, widmet er sich seitdem ganz der Pflege und Erforschung seiner Bienen. Weit mehr als der Japanische Pfeffer hilft der aufgeweckte Sohn von Holmes’ spröder Haushälterin dem Gedächtnis des Alten auf die Sprünge. In Rückblenden wird das Rätsel nach und nach gelöst.

Zentrum des Films ist der großartige Ian McKellen, dessen Darstellung virtuos drei Jahrzehnte überbrückt. Der Schauspieler selbst ist in seinen Siebzigern. Den Unterschied zwischen dem hochfahrenden 60jährigen und dem durch die Zumutungen des Alters demütig gewordenen 90jährigen drückt er in Haltung, Gang und Sprache aus. In gewissem Sinne demontiert Condon die Figur Sherlock Holmes’, indem er ihm seine intellektuelle Unnahbarkeit nimmt und ihn auf ein menschliches Maß zurückstutzt. Am Ende bleibt ein alter Mann, der erst sehr spät erkennt, daß ein messerscharfer Verstand nicht alle Lebensprobleme löst.

[ Dörthe Gromes ]