D/Österreich 2016, 126 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal
Genre: Drama, Historie, Literaturverfilmung
Darsteller: Ivo Pietzcker, Sebastian Koch, Fritzi Haberlandt, Henriette Confurius, David Bennent
Regie: Kai Wessel
Kinostart: 29.09.16
Mai 1944. Ernst Lossa, 13 Jahre alt, erduldete diverse Erziehungsheime, welche den aufmüpfigen „asozialen Schädling“ abschieben, und landet schließlich in der Nervenheilanstalt des Dr. Veithausen. Hier sind Taubstumme, körperlich und geistig Behinderte, Epileptiker, Stotterer zusammengepfercht – der seitens des Naziregimes so benannte „kranke Volkskörper“, den es vorgeblich zu heilen, praktisch allerdings zu „erlösen“ gilt. Dahinter verbirgt sich systematische Euthanasie. Ernst durchschaut bald die klinikinternen Vorgänge, er erkennt, daß Schwester Ediths Himbeersaft Kinder qualvoll tötet. Gemeinsam mit der Nonne Sophia will der Junge den Insassen helfen, aber die Obrigkeit hat ihn bereits im Blick.
Ein Sujet, dessen Heftigkeit leicht in gut gemeint entfesselter Inszenierung münden mag. Selbige kann auch NEBEL IM AUGUST kaum vollends leugnen, manche Szene wirkt etwas zu kalkuliert, generell beeindruckt jedoch Erdung: (fast) keine effektlastige Musik, erklärerischen Dialoge, pathetischen Gesten. Der omnipräsente Tod drinnen wie draußen verstört hintergründig, erfährt selten Visualisierungen, dafür transportieren entsättigte Farben und stetes Halbdunkel das Innenleben der Figuren, während brillante Darsteller Starkes leisten, herausstechend Sebastian Kochs Verkörperung des Veithausen sowie Henriette Confurius’ Schwester Edith, eine extra eingestellte Mordmaschine, deren Reaktion auf ihren ersten Auftrag im eiskalten „Sehr schön!“ besteht. Solche Unmenschlichkeit zu begreifen, übersteigt jede Vorstellungskraft, es kann daher diesem Film ebenso wenig gelingen, obgleich er Anstöße liefert: Geht es um die 30 Reichsmark Lohnerhöhung? Hat das berühmte sozialpsychologische Experiment von Stanley Milgram tiefere humane Abgründe lediglich gestreift? Werden Formulierungen à la „sinnvolles Selektieren“ als Wahrheit statt Wahnsinn betrachtet? Antwort unmöglich.
Derartige geistige Hilflosigkeit fördert die emotionale Wucht entscheidend, nur bremst ausgerechnet Ernst selbst sie teilweise wieder aus. Konkret, wenn er in Beobachterposition verharrt, passiv die Aufarbeitung der NS-Rassenhygiene begleitet oder sich thematisch bloß lose verbunden erstmals verliebt, wobei die Handlungsstränge dann eher parallel denn kongruent laufen. Die Wut nach dem – mittels Fakten liefernden Texttafeln noch weiter aufwühlenden – Abspann schmälert’s nicht.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...