Originaltitel: NEBRASKA

USA 2013, 115 min
FSK 6
Verleih: Paramount

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Bruce Dern, Will Forte, June Squibb, Bob Odenkirk, Stacey Keach

Regie: Alexander Payne

Kinostart: 16.01.14

2 Bewertungen

Nebraska

900 Meilen mit 20 Sachen

Ein alter Mann, mit gesenktem Kopf gegen die eigenen wackeligen Beine gestemmt, kämpft sich den Highway entlang. Mit diesem Prolog führt Alexander Payne nicht nur seine Hauptfigur Woody Grant ein, dessen wohl letztes großes Reisevorhaben von allen Seiten torpediert wird. Vielmehr definiert der Regisseur in dieser quälenden Sequenz auch den metaphorischen Spielraum seiner tragikomischen Provinz- und Demenzposse. Und der ist durchaus größer, weiter, tiefer als in ABOUT SCHMIDT, SIDEWAYS oder zuletzt THE DESCENDANTS.

Daheim in Billings, Montana, kann sich die genervte Ehefrau kaum über die Unvernunft des Alten beruhigen. Der wollte sich doch tatsächlich zu Fuß nach Lincoln, Nebraska, aufmachen, um dort persönlich seinen Millionengewinn abzuholen, natürlich in Verbindung mit ein paar Neuabschlüssen für irgendwelche Zeitungsabonnements. Nur Woodys Jüngster David läßt sich erweichen, den alten Herrn trotz über die Jahrzehnte gefestigter Sprachlosigkeit, trotz des gerechten Zorns über all die versoffenen Monatsgehälter zu diesem blödsinnigen Werbebüro zu chauffieren, um schließlich mit einem Basecap als Trostpreis heimzukommen. Schon, um Mom eine Pause von ihrem desorientierten Angetrauten zu gönnen. 900 Miles To Go! In einem japanischen (!) Kleinwagen ziehen zwei in die US-amerikanische Provinz, um sich – notgedrungen – endlich kennenzulernen.

Alexander Payne ist also wieder in Familienangelegenheiten unterwegs. Korrekter: Er läßt unterwegs sein – als wollte er partout als Reiseveranstalter in die Kinogeschichte eingehen. Auf dem Weg geht ein Gebiß verloren, sind Mütchen zu kühlen, Biere zu trinken, Platzwunden zu versorgen und fast vergessene Verwandte auszuhalten, die beim Zwischenhalt im (ausnahmsweise fiktiven) Nest Hawthorne angesichts des versprochenen Geldsegens allen Anstand einbüßen. Dabei wird die Vergessenheit – im gewohnten Balanceakt zwischen abseitiger Sprödheit und emotionaler Eingängigkeit – zu Paynes eigentlichem Thema, und zwar in einem pointiert fotografierten, bittersüßen, digital geglätteten und analog aufgewühlten Schwarzweiß.

Eine Abschiedstournee durch die Artefakte der Americana, ein fröhlich-sentimentales Bye-Bye für Cat Stevens‘ „Father And Son“, ein nostalgisches Schwelgen im FARGO-Feeling, nur mit weniger Blut und ohne Schnee – und so wunderbar anachronistisch und ausbremsend wie ein Fußgänger auf dem Highway.

[ Sylvia Görke ]