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Nemesis

Letzte Szenen einer Ehe

Filme, deren Hauptdarsteller während oder kurz nach der Produktion verstorben sind, umgibt eine besondere Aura. Ein Werk ist abgeschlossen, und jeder will dem letzten Akt beiwohnen, will noch ein letztes Mal die große Kunst bewundern. Doch wird dabei oft übersehen, daß sich selten jemand seinen letzten Film aussuchen kann, und daß es daher noch viel seltener unbedingt der beste sein muß.

Das nämlich gilt für NEMESIS, den letzten gemeinsamen Film von Ulrich Mühe und Susanne Lothar. In diesem Kammerspiel, das sich als müde Krimi-Drama-Mischung über die Zeit rettet, spielen die beiden ein Ehepaar in der Trennung. Robert und Claire haben sich über den Tod von Claires Schwester Nina auseinandergelebt. Robert, der mit Nina zusammen war und nie aufgehört hat, sie zu lieben, wollte kurz vor ihrem Tod sogar noch einmal neu mit ihr anfangen. Und Claire ist die ewigen Seitensprünge und Affären ihres Mannes einfach leid. Also beschließen sie die Trennung, verkaufen ihr Haus am Meer und erinnern sich in diesem letzten schmerzhaften Akt an Szenen des zurückliegenden Jahres.

Erzählt wird das verzweifelte Aneinanderfestkrallen im Moment der Trennung in ruhigen, fast ausgehöhlten Szenen. Die Leere schmerzt, jedes Aufeinandertreffen der beiden ist eine emotionale Qual. Ulrich Mühe und Susanne Lothar spielen dies ganz unaufgeregt natürlich. Das ist ihre Meisterschaft. Sie sind über die Jahre ihres Schauspielerlebens quasi Experten in der Darstellung sich tyrannisierender Paare geworden, haben die Grenzen der Belastbarkeit immer wieder verschoben, im Theater und im Film.

Schade, daß Nicole Mosleh in ihrem Debütfilm dieses einmalige Können nicht genutzt hat, um sich ganz auf die Verletzungen und Hoffnungen einer solchen Situation zu konzentrieren, wie es zum Beispiel Ingmar Bergman in SZENEN EINER EHE getan hat. Stattdessen verlegt sie den Antrieb der Geschichte auf die kriminalistische Suche nach der Todesursache von Claires Schwester. Was gründlich schiefgeht. Dabei hätte das Projekt enorme Chancen gehabt.

Es gibt Augenblicke, da blitzt schwarzer Humor vom Schlage eines Claude Chabrol durch. Wenn Susanne Lothar, von einem heimtückischen Plan getrieben, keck mit einem Bein die Ofenklappe schließt, hinter der sie Plätzchen mit halluzinogenen Pilzen für ihren Mann backt. Sie hatte die Klasse einer Isabelle Huppert in SÜSSES GIFT. Für den großen ganzen Rest aber war das Drehbuch von NEMESIS zu schwach.

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...