Originaltitel: OHJUS
Finnland/Estland 2024, 115 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Oona Airola, Pyry Kähkönen, Hannu-Pekka Björkman, Tommi Korpela
Regie: Miia Tervo
Kinostart: 14.11.24
Gelegentlich trifft man ja fremde Menschen, die einem auf den ersten Blick total sympathisch sind, sogar ziemlich ungekannte Beschützerinstinkte wecken. Schwenk nach Finnland anno 84, Auftritt Niina, alleinerziehende Mutter, der Kindsvater sitzt im Knast. Eine schüchterne Blondhaarelfe, die verfleischlichte Nettigkeit und irgendwie realitätsfern; da rauscht schon mal der halblegal geschlagene Weihnachtsbaum wegen mangelnder Befestigung ins Fenster des Lokalblatts, dessen größte Knüllerstory sich um beim Eisangeln versenkte Socken drehte. Gleich doppelt: autsch! Zwecks Schadensabarbeitung startet Niinas Karriere als Reporterin, bald zieht sie tatsächlich einen dicken Fisch an Land. Vielleicht. Oder? Hat außer ihr niemand den verdächtigen Knall gehört? Wieso rückt das Militär an? Es muß eine Sowjetrakete abgestürzt sein! Niinas Atomkriegs-angst droht zwar neurotisch auszuufern, wirft sie aber parallel in die weit geöffneten Arme eines traurigen Piloten …
Rund um drastisch gezeigte Abneigung gegen Modern Talking, denkwürdige Kopfputze oder zum kapitalträchtigen Werbegag umfunktionierten Fisch entspinnt sich so ein Panoptikum knarziger Schrägheiten – und auch nicht: Während sich die Handlungsfäden manchmal recht lang verknüpfen und ungespannt verwirren, die Vielzahl auftauchender Charaktere dann eher durchgereicht wird, es kaum in spürbarer Emphase resultiert, wenn zwischendrin jemand stirbt, pulsiert unter dem allgegenwärtigen Eispanzer nur möglicherweise ein Sprengkörper, jedoch definitiv latente Bedrückung, ein Gespür fürs Schwere am Leben. Niinas einsame Kurz-durchatmen-Zigaretten, ihre müden Augen und gefühlstiefe Antwort auf die Frage, was sie am Neinsagen fürchte: Solche genau beobachtete, kühl akzentuierte Herzenswärme hätte ohne die immer wieder brechende absurde Umhüllung noch an Kraft gewonnen.
Den grazilen Schlußakkord und wahrlich zerreißenden Höhepunkt setzt knapp vorm Ende eine Szene, zu deren höchst unangenehmem Geschehen die Zeit langsamer läuft, sich Stille über den sichtbaren Emotionsvulkan senkt und geradezu eremitisch Ane Brun in ihrer Radiohead-Intensivierung „How To Disappear Completely“ mit transzendenter Stimme das Mantra aller Weltflüchtigen singt: „That There, That’s Not Me/I’m Not Here/This Isn’t Happening …“ Entnommen dem Album „Leave Me Breathless“ – wirklich nichts könnte besser passen.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...
Passage Kinos: 18:10
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Passage Kinos: 16:00
Passage Kinos: 16:00
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