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News From Home

Neues Kapitel einer offenen Ausgrabung

Amos Gitai, studierter Architekt und Filmemacher, hat sich mit NEWS FROM HOME auf eine wiederholte Spurensuche begeben. Im Jahr 1980 entstand sein erster Film HOUSE über ein Wohnhaus in Jerusalem und dessen Bewohner. 1948 von seinem Besitzer, einem palästinensischen Arzt, aufgegeben und von der israelischen Regierung als "verlassen" deklariert, mieteten es 1956 jüdisch-algerische Einwanderer, später erwarb es ein Universitätsprofessor und baute es um - in eine mehrstöckige Villa. 1998 folgte A HOUSE IN JERUSALEM und nun also NEWS FROM HOME, eine Rückkehr Gitais an denselben Ort, zu den Geschichten der früheren Hausbewohner und Nachbarn, zu Arbeitern, Bauherren und zu den neuen Besitzern.

Bei Gitai fungiert das Gebäude, das Haus als Zentrum einer offenen Ausgrabung. Seine Recherche gleicht einer Archäologie, ähnelt einer Offenlegung in Schichten, die menschliche Schicksale entdeckt, die Konturen und Strukturen freilegt, welche vom Heute überlagert werden. Zentrales Thema ist die Diaspora, sind die Grenzen und die aufgefundenen Beziehungen zwischen den Bewohnern, zwischen der Vergangenheit - als das Haus noch einen klar umrissenen Mikrokosmos darstellte - und einer zersplitterten Gegenwart, zwischen Israelis und Palästinensern.

Wem die Vorgängerfilme fehlen, der mag sich zunächst schwer tun. Der Einstieg in Gitais Betrachtungen gestaltet sich kompliziert, weil diese eigenartig sind - im Sinne eines individuellen, komplexen Ergründens. Eingestreute philosophierende Monologe des Filmemachers machen den Zugang nicht leichter - sie eröffnen eine weitere Reflexionsebene. Wer sich auf das Konzept des Regisseurs einläßt, aber kann fündig werden. NEWS FROM HOME erzählt alte, doch überaus lebendige und neue Geschichten, vorgetragen und verkörpert von einer Reihe interessanter Protagonisten. Die Sorgfalt, mit der Gitai seiner Arbeit nachgeht, ist an ihrem Gleichgewicht ablesbar, daran, daß sich der Regisseur in keiner Minute auf eine Seite schlägt. Die Kamera fängt das Aufgefundene mit einer Ruhe ein, die der moderne Dokumentarfilm oft vermissen läßt - alles Geschehen, alles Aktive ist allein in den versprengten Geschichten und Erinnerungen. Ein Kunstgriff wie das plötzliche Auftauchen von Natalie Portman am Ende des Films, mag irritieren, doch illustriert er auch die Unmöglichkeit Gitais, zu einem Ende zu finden. Und darüber hinaus macht er neugierig - auf die Geschichte, die der Regisseur ein anderes Mal zu erzählen verspricht.

Originaltitel: NEWS FROM HOME

Israel/Belgien/F 2006, 97 min
Verleih: mec

Genre: Dokumentation, Polit

Regie: Amos Gitai

Kinostart: 02.11.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.