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Next Exit Nirvana

Bitte alle einsteigen!

Was für eine Übersetzung von der Vorstellung des ewigen Kreislaufs des Lebens in die ganz konkrete indische Wirklichkeit: Zwei Jungs stehen auf einer Brücke über den Ganges und fischen mit selbstgebauten Drahtkörben Kokosnüsse aus dem Fluß. Sie bringen sie zu den Händlern in der Stadt. Die verkaufen sie weiter an die Pilger, die sie wiederum als Opfergabe in den Fluß werfen, wo sie von den Jungs wieder herausgefischt werden.

Über zwei Millionen Glücks-, Gott- und Wahrheitssuchende kommen alle zwölf Jahre zur Kumbh Mela, dem größten Pilgerfest der Welt, in eine kleine indische Stadt, die für einen Tag von 200.000 Einwohnern auf das Zehnfache anschwillt. Höhepunkt der Veranstaltung ist das reinigende Bad im heiligen Fluß, dem selbst die Nichtgläubigen eine große, wenn auch unerklärbare, Macht zugestehen. Nur trägt der schon lange nicht mehr nur die Sünden der Menschen mit sich. Industrieabfälle, Müll, Dreck und die Überreste von Leichenverbrennungen trüben das Bild der Faszination und Verehrung.

Das große Glück des Films ist es, daß sich Regisseur und Autor Walter Größbauer nicht auf die bloße Abbildung des Spektakels verläßt. Sein Film ist ein Reisebericht mit glaubhaften und berührenden Bildern, fernab von Postkartenmotiven und Reiseromantik. Man spürt die Neugier und Faszination des Reisenden. Ebenso wie die stetig lauernde Gefahr, sich gefangennehmen zu lassen vom Zauber der vermeintlich Erleuchteten, die in ihren Zelten auf zukünftige Schüler warten. Am Ende behält der Film auf wundervolle Weise die Balance zwischen Glauben und Kritik, Hoffnung und Enttäuschung. Er fällt kein Urteil, sondern regt an, hinter die bemalten Gesichter, die farbenfrohen Umhänge und die faszinierenden „Kunststücke“ der Sadhus zu sehen.

Es gibt den einen oder anderen Schnitt, der zu viel will, der doppelt erklärt. Aber der Film findet seinen Rhythmus, läßt Bilder stehen und fügt Erklärungen ein, wo sie nötig sind. Jenseits irgendwelcher Schubladen bewegt er sich leicht zwischen Dokumentation und Reportage, immer auf der Suche nach der Wahrheit der Menschen vor Ort.

Er läßt den Befragten die Zeit zum Reden, zum Entwickeln ihrer Gedanken. Hier wird nicht auf markante Stichworte gesetzt, sondern auf Vollständigkeit und Zusammenhang. Und das zeigt vor allem eines: Respekt vor den Menschen, egal welchen Gott sie verehren, oder welchen Lebensweg sie gewählt haben.

Österreich 2010, 90 min
Verleih: FortunaMedia

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Walter Größbauer
Drehbuch: Walter Größbauer
Kamera: Walter Größbauer

Kinostart: 24.03.11

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...