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Nicht böse sein!

Aus dem Leben dreier Antihelden

Der Wasserhahn tropft seine träge Symphonie, während die Kamera langsam durch eine kleine Wohnung streift. Enge Zimmer, dort bildet eine Matratze den räumlichen Mittelpunkt. An der Wand einige Bilder ("Das ist Mutter"), ein Bücherregal. Auf dem Tisch stehen Lebensmittel, liegt Krimskrams. Und eine Spritze.

Hier leben Wolfgang, Andi und Dieter in einer Zweckgemeinschaft, welche schon zu Beginn als wenig kommunikativ, "wie in einer Ehe", entlarvt wird. Trotzdem halten die Drei zusammen, zwangsweise, weil sie kein Teil der "normalen" Gesellschaft, sondern süchtige Außenseiter sind. Andi träumt von einer eigenen Wohnung, kann diese aber aufgrund seiner Abhängigkeit nicht finanzieren. Dieter schämt sich wegen seiner ausgefallenen Zähne, muß ins Gefängnis und hofft ungeachtet aller Angst davor, dort den Entzug zu schaffen. Wolfgang schließlich ist der philosophierende Intellektuelle des Teams, vergißt im Alkoholrausch allerdings schon mal die guten Umgangsformen.

Ein Kamerateam hat das Trio begleitet, nur wenige Fragen gestellt, die Drei ansonsten einfach reden lassen. Und zeigt nun Menschen, welche auch im Elend versuchen, ihre Würde zu bewahren, die hart mit sich ins Gericht gehen und denen Moral wichtig ist – etwa dann, wenn bezüglich Dieters Gefängnisaufenthalt entschieden wird, daß "Strafe sein muß." In diesem Fall für einen vor Jahren volltrunken begangenen Ladendiebstahl. Alternativ wäre die Schuld mit 1500 Euro zu begleichen, ein schieres Vermögen für Dieter und deswegen keine Option.

Es geht dabei nicht um Jammern, Stammtischweisheiten oder zynische Wut auf das System, sondern darum, wie Wolfgang, Dieter und Andi ihre Menschlichkeit bewahren, jeden Tag aufs Neue. Die landläufig als "Asoziale" Abgestempelten erfreuen sich am Schachspiel in freier Natur, binden eigene Gedichte, hegen Hoffnung, finden selbst nach ärgsten Auseinandersetzungen wieder zusammen und stehen letztlich füreinander ein.

Nach langer Suche wagt es endlich ein Verleih, diesen zutiefst humanen, mithin tatsächlich sehr wichtigen Film ins Kino zu bringen. Und weckt damit hoffentlich mehr Aufmerksamkeit für die Ausgestoßenen von nebenan.

D 2006, 96 min
Verleih: Antenafilm

Genre: Dokumentation, Schicksal

Stab:
Regie: Wolfgang Reinke
Drehbuch: Wolfgang Reinke
Produktion: Wolfgang Reinke

Kinostart: 14.06.07

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...